Man muss sich schon fragen, was so schwer daran ist, die richtigen Leute für Führungspositionen im Sport zu finden. Laut Statistik gibt es 88 000 Sportvereine in Deutschland, die müssen ja geführt werden, was auf ein unglaubliches Reservoir an Kandidaten schließen ließe. Da sind gewiss viele fähige, ehrenwerte und integre Personen darunter. Um aber ganz nach oben zu kommen, müssen sie, ähnlich wie in politischen Parteien, erst die Ochsentour durch Gremien, Kreis-, Bezirks- und Landesverbände antreten, wo offenbar der Charakter Stück für Stück verloren geht. Große Skrupel darf auch keiner haben, der nach oben drängt, zu viel an moralischen Grundsätzen ist dabei nicht unbedingt hilfreich. Gäbe es sonst so viele Skandale, Intrigen und Machenschaften, die sogar den Staatsanwalt auf den Plan rufen?
Vielleicht wäre ja der Winzer Fritz Keller gar keine so schlechte Wahl gewesen für die Spitze des DFB. Er hätte sich halt nur ein bisschen auf das beschränken sollen, wofür sie ihn ins Amt gehievt haben. Repräsentieren sollte er, nicht entscheiden, das wollen doch die, die länger dabei sind, ihre Seilschaften hinter sich wissen, die Strukturen kennen und Schlupflöcher, sogar manch schmutziges Geheimnis. Dass der etwas zu neugierige Keller auf Mauern und Widerstände gestoßen ist, ist also nicht allzu verwunderlich. Erstaunlicher ist da schon, dass das Binnenklima im Präsidium dermaßen vergiftet scheint, dass sich der gute Mann zu diesem unsäglichen Nazi-Vergleich hat hinreißen lassen, über den er letztlich gestolpert ist.
Das sagt einiges über den Führungsstil im deutschen Spitzensport. Dass nun auch aus dem DOSB schwere Klagen über dessen Präsidenten Hörmann kommen, passt irgendwie ins Bild. Wo aber sind denn die Leute, die es besser, sagen wir mal: sportlicher machen könnten, anständiger, fairer, die all die Werte vertreten, für die der Sport eigentlich steht? Es gibt sie, aber sie werden, siehe oben, früh gebremst. Oder sie verändern sich charakterlich derart, dass sie sich schließlich locker einfügen in das düstere Bild, das die Führungskräfte des Sports gerade von sich malen.
Das Dumme ist halt, dass so eine Spitzenposition auch manche Annehmlichkeit mit sich bringt, schöne Reisen, Hotels der Luxusklasse, Publicity und nicht unerhebliche finanzielle Vorteile, die eben auch die reizen, die sich sonst vielleicht mit der Beschaffung von Masken bereichern würden. Wo Ruhm und vor allem Geld locken, geraten einst vielleicht hehre Beweggründe schon mal in den Hintergrund.
Keller spricht von einem „beschämenden Umfeld“, in dem sein Rücktritt geschah, und davon, dass sich damit die Probleme nicht lösen würden. Wie dann? Es wird nicht genügen, nun den nächsten Präsidenten zu wählen, zuletzt sind alle entsprechenden Versuche kläglich gescheitert. Weil sich zwar Namen, aber keine Strukturen geändert haben. Und wer, der was auf sich hält, begibt sich freiwillig in ein Haifischbecken?
Es müsste jemand kommen, der die Kraft und Autorität hat, gründlich aufzuräumen, der auf breite Unterstützung der Basis zählen kann. Jemand, der das aus Liebe zum Sport macht. Zuletzt haben sich mehrere Unions-Politiker versucht, Grindel, Zwanziger, Mayer-Vorfelder etwa. Soll aber nicht heißen, dass nun Markus Söder, nachdem er nicht Kanzler werden darf, dafür in Frage käme. Der hat sich gerade bei den Amateurfußballern jegliche Sympathien verscherzt.
Zumindest für die Nachfolge an der DOSB-Spitze wüssten wir einen starken Kandidaten. Wäre nicht Felix Neureuther einer? Er kommt aus dem Sport und setzt sich massiv für den Nachwuchs ein, ist beliebt, unverbraucht, meinungsstark, kritisch. Sein Nachteil: wohl eher zu kritisch für eine alteingesessene Funktionärsriege.
DFB und DOSB in der Krise – es fehlt Liebe zum Sport