München – Im Schatten von Alexander Zverev hat sich Dominik Koepfer in der Tennis-Weltspitze etabliert. Aktuell steht der Linkshänder auf Position 57 der Weltrangliste. Anfang des Jahres erreichte der gebürtige Schwarzwälder (Furtwangen) in Acapulco sein erstes ATP-Halbfinale, in dem er Landsmann Zverev unterlag. Dabei wäre sein Traum vom Profisport wohl nie Realität geworden, wenn er nach dem Abitur nicht den Schritt in die USA auf das College gewagt hätte. Im Interview erzählt der 27-Jährige von schlaflosen Nächten vor dem Abflug und warum es für ihn immer eine Ehre bleiben wird, für Deutschland zu spielen.
Herr Koepfer, in den sozialen Netzwerken waren Sie gerade in einem Münchner Biergarten zu sehen. Wie kam es dazu?
Ich war zu einer Physiobehandlung in der Stadt. Da habe ich die Gelegenheit genutzt. Hat ja auch lange genug gedauert bis die Gastronomie wieder öffnen durfte.
Eine schlimmere Verletzung?
Nein, zum Glück nicht. Nur eine kleine Reizung in der Kniekehle. Nichts Dramatisches.
Abgesehen von der zwíckenden Kniekehle. Wie schätzen Sie ihre Form für die French Open ein?
Sehr gut. Ich habe in den letzten Wochen gute Spieler geschlagen. Auch sehr starke Sandplatzspieler. Daher fahre ich mit einem guten Gefühl nach Paris.
Welche Gefühle verbinden Sie mit Roland Garros?
Das Turnier ist schon etwas Besonderes. Auch weil es der einzige Grand Slam ist, zu dem ich als kleiner Junge mal mit meinen Eltern gefahren bin. Damals habe ich Lokalmatador Gael Monfils spielen sehen. Jetzt kann ich selber auf ihn treffen. Da kommen einem die Bilder von damals wieder in den Kopf. Alles war so weit weg und jetzt bin ich mittendrin. Schon Wahnsinn.
Dieses Jahr wieder mit Zuschauern.
Knapp über 5000 Fans sollen pro Tag auf die Anlage dürfen. Bei der Größe der Anlage in Paris verläuft sich das natürlich. Dennoch sind wir unheimlich froh, dass endlich wieder Zuschauer live dabei sind.
Sie spielen sehr emotional. Helfen die Zuschauer, sich auf dem Platz zu pushen?
Schon, aber man muss die Emotionen auch richtig einsetzen. Daran habe ich viel gearbeitet. Seit zwei Jahren auch mit einem Mentaltrainer. Emotionen müssen raus. Auch negative. Man kann ruhig mal einen Schläger zerschmettern. Das passiert einem Djokovic auch. Nur lässt er sich davon nicht aus dem Konzept bringen und ist beim nächsten Punkt wieder voll fokussiert. Dieses Umschalten muss ich noch besser hinbekommen. Damit mein Spiel konstanter wird.
In Ihrer Laufbahn fällt der Gang nach dem Abitur in die USA auf. Wie schwer war es, als 18-Jähriger die Heimat zu verlassen?
Nicht einfach. Alles andere wäre gelogen. Ich erinnere mich noch, an die letzte Nacht im Haus meiner Eltern. In meinem Zimmer. Viel geschlafen habe ich da nicht. Aber es gab für mich keine Alternative. Ich war nicht so gut, dass ich vom DTB weiter gefördert wurde, wollte aber meinen Traum vom Tennisprofi nicht aufgeben. Die Kombination aus Studium und Sport schien mir da am Sinnvollsten. Und meinen Eltern war wichtig, dass ich neben dem Tennis was für meine Ausbildung mache.
Im Nachhinein der richtige Schritt.
Absolut. Ich konnte dort professionell arbeiten. Der College-Sport hat in den USA eine riesige Bedeutung. Zu den Spielen kommen so viele Fans wie in Deutschland zur Bundesliga. Oft sogar noch mehr.
In Deutschland wären Sie wahrscheinlich durch das Raster gefallen und heute kein Tennisprofi.
Das muss man so sehen. Wenn man nicht Alexander Zverev ist und mit 15 Jahren alles gewinnt, hat man es in Deutschland sehr schwer. Die Ausbildung ist auf die Jahre als Teenager ausgelegt. Der durchschnittliche Tennisprofi wird allerdings immer älter. Der Schnitt in den Top 100 liegt bei 29 Jahren. Oft kommt der Durchbruch erst mit Mitte 20. Studium und Tennis funktioniert in Deutschland kaum. In den USA schon.
Ihnen gefällt es in den Staaten so gut, dass Sie heute in Florida leben.
In erster Linie waren das jedoch praktische Gründe. Nach dem College kannte mich in Deutschland kaum jemand. Das College hat mich auch nach meinem Abschluss noch unterstützt und einen Coach gestellt, so dass ich Turniere in den USA spielen konnte. Inzwischen bin ich wieder öfters in Deutschland, gerade im Sommer. Meine Hauptbase ist aber Tampa, da hier auch mein Trainer wohnt.
Dann sind Sie wahrscheinlich schon lange gegen Corona lange geimpft.
Ja, bereits seit März. Gerade hier in Florida war alles viel entspannter und man konnte sich freier bewegen. Ich fühle mich sehr wohl hier, vermisse allerdings auch Deutschland hin und wieder. Die USA hat aus meiner Sicht viele Vorteile, wenn man jung ist. Mit dem Älterwerden wird Deutschland und Europa wieder attraktiver.
In wenigen Wochen sollen die Olympischen Spiele in Tokio starten. Welche Bedeutung hat es für Sie, für Deutschland zu spielen?
Eine sehr große. Ich verbringe zwar viel Zeit in den USA, bin aber in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich fühle mich mit dem Land sehr verbunden. Daher ist es für mich eine große Ehre, für Deutschland aufzuschlagen. Egal ob bei den Olympischen Spielen oder dem Davis Cup.
Interview: Daniel Müksch