NACHRUF
Besuch bei Markus Egen in Füssen, lange her. „Und jetzt“, sagte er zum Abschluss, „kann ich noch auf den Dachboden hochgehen und die Schachtel mit allen nicht eingelösten Vollstreckungsbescheiden holen und sie Ihnen zeigen.“ Zu seiner Lebensgeschichte gehörte auch dies: Als Geschäftsmann scheiterte Markus Egen. An der Zahlungssäumigkeit seiner Kunden. Er produzierte Eishockeyschläger, sie waren gut, aus Holz, lange vor der Alu- und Carbon-Ära. Modelle wie der „Egen Northstar“ werden auch nach Jahrzehnten noch unter Liebhabern gehandelt. Doch die Eishockeybranche der 80er-Jahre, sie war etwas unzuverlässig. Bei manchen Kunden war nichts zu holen.
Die Pleite mit seiner Firma hat Markus Egen, den Allgäuer, aber nicht aus der Bahn werfen können. Das Leben ging weiter, für ihn noch lange. Der Mann, der im Füssener und im deutschen Eishockey beispiellos erfolgreich war, wurde 93 Jahre alt. Am Freitag verstarb er in seinem Heimatort. „Seine Ratschläge und sein besonderer, direkter Humor waren immer eine willkommene Bereicherung“, sagte Franz Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB).
Egen steht in Verbindung mit der großen Zeit des EV Füssen, der nach dem Berliner Schlittschuh-Club die meisten Deutschen Meisterschaften gewann: 16. An 13 von ihnen war Egen beteiligt, erst als Spieler, der von sich sagen konnte, „nie einen Helm getragen zu haben“, in den 60er-Jahren dann als Trainer. Er gehörte zur Vizeweltmeistermannschaft bei der WM 1953 (allerdings mit nur vier Mannschaften ausgetragen), spielte 1952, 56 und 60 bei Olympia. 72 Tore in 99 Länderspielen sind Nachweis seiner Offensivfähigkeiten. Bundestrainer war Markus Egen auch – wobei es zu seiner Zeit oft spontane Teamlösungen an der Bande gab. Erst nach ihm wurden in Gerhard Kießling und Xaver Unsinn festangestellte Trainer gefunden.
In den vergangenen 30 Jahren verschwand der Name Markus Egen aus der aktuellen Eishockey-Berichterstattung, allenfalls seine Söhne Hans-Peter und der umtriebige Uli, der sich nach seiner Spielerkarriere als Trainer und Manager bei diversen Clubs versuchte und einige Zeit in der DEL arbeitete, blieben im Gespräch. Markus Egen machte sich, auch als er nicht mehr Teil des Eishockey-Betriebs war, Gedanken über seinen Sport, vor allem den Nachwuchs. Er machte vor 30 Jahren eine interessante neue Zielgruppe aus: Junge Einwanderer, vor allem aus türkischen Familien, die die stärkste Gruppe stellten. „An die sollten wir rangehen. Die gehen sonst alle zum Fußball. Warum nicht zu uns?“ Sozialen Aufstieg, oft der unbemerkte Antrieb für ein Engagement im Sport, fand Egen, könne auch das Eishockey bieten, es brauche keine gesättigten, sondern hungrige Sportler. Markus Egens Vision vom diverseren Eishockey sollte sich erfüllen. In Sinan Akdag, 1989 in Rosenheim, und Yasin Ehliz, 1992 in Bad Tölz geboren, fanden zwei den Weg ins (Spitzen-)Eishockey (Olympia-Silber 2018), die aus türkischen Einwandererfamilien stammen. Schade nur: Den beiden Nationalspielern sagte der Name Markus Egen nichts mehr. GÜNTER KLEIN