Europas neuer Meistertrainer

Was hatte Tuchel bei Schumann’s?

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Champions-League-Sieger! Da darf das Mineralwasser schon mal mit Sprudel sein. Und den großen Pep Guardiola ausgecoacht – womöglich hatte das seinen Ursprung in jenem berühmten Treffen in der Münchner Bar Schumann’s um 2014 herum, als der damalige Welttrainer dem jungen Kollegen aus Mainz einen Gedankenaustausch gewährte, in dessen Verlauf es zu einem Verschieben von gastronomischen Tischgerätschaften kam. Hat nun am Samstag in Porto Salzstreuer oder Pfeffermühle gewonnen? Kommt drauf an, was Thomas Tuchel damals im Hofgarten zur Hand hatte. Denn an ihn ging das Champions-League-Finale 2021.

Er ist der dritte deutsche Trainer in Folge, der sich Europas Krone aufsetzen darf. Mit Jürgen Klopp (Liverpool 2019) hat er die Stationen Mainz und Dortmund gemeinsam (und dass sie beide nun in der Premier League agieren), mit Hansi Flick (Bayern 2020) die Sozialisierung in der Provinz (Odenwald – Bayerisch-Schwaben). Doch während seine beiden Champions-League-Sieger-Vorgänger eine klare Kontur als Persönlichkeit haben – Klopp der energetische Menschenfänger, Flick der fast spießige Normalo, der die Spieler mit sachlicher Freundlichkeit erreicht – ist Thomas Tuchel schwer zu greifen. Für die Spieler ist er wahrscheinlich der anstrengendste Trainer der drei deutschen Top-Leute: Weil er gerne die Kontrolle hat und dieses Bedürfnis weit über die Arbeitszeit hinausreicht. Weil er – so war das etwa in seinem Verhältnis zu Mats Hummels in Dortmund – ein festes, oft voreingenommenes Bild von Menschen hat und es nicht korrigieren lassen will. Tuchel ist sicher kontroverser als Klopp, als Flick. Es fällt ihm auch schwerer, die Kapitel seiner Karriere versöhnlich zu schließen: Mainz, Dortmund, Paris – überall rumpelte es zum Schluss.

Doch Tuchel erreicht mit dem Sieg in der Königsklasse den Status, einer der wenigen Trainer zu sein, die den Erfolg garantieren. Mainz brachte er als Ex-Jugendtrainer nach Europa, für den BVB war er die klar bessere Lösung als nach ihm Bosz, Stöger, Favre, PSG erreichte mit ihm das Champions-League-Finale (und nach seinem Rauswurf eben nicht mehr), mit Chelsea sorgte er für einen unerwarteten Gruppenerfolg und beeindruckende individuelle Entwicklungen wie bei Antonio „The Rock“ Rüdiger. Mit dem (vermeintlichen) Sonderling Tuchel kann man also wohl auch klarkommen. Was hat er eigentlich bei Schumann’s bestellt? Vielleicht gar kein stilles Wasser im 0,33er-Fläschchen.

Guenter.Klein@ovb.net

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