12.30 Uhr ist die heilige Zeit des großen Fußballs. Beim DFB vor Länderspielen und auf Turnieren seit Jahrzehnten üblich: Um halb eins beginnt die tägliche Pressekonferenz. Heute aber gibt es für die in Seefeld weilenden und sich auf die EM vorbereitenden Elitekicker Konkurrenz: Parallel um 12.30 Uhr spricht in der bayerischen Staatskanzlei Markus Söder. Über Fußball. Vor allem, ob es möglich sein wird, bei den EM-Spielen in München Zuschauer zuzulassen. Fußballgott ist Söder nun wahrlich nicht, wie wir seit dem legendären Foto wissen, auf dem er sich ein Trikot des FC Bayern mit der Rückennummer 12 nach vorne über den barocken Leib zog, doch als Ministerpräsident Bayerns ist er nun mal der Herr über die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Der Seuchen-Söder sozusagen. Heute die Schlüsselfigur des deutschen Fußballs.
Da das „12. BaylfSMV“, so die sexy Abkürzung, zum Wochenende ausläuft, ist es nicht mehr unrealistisch, eine Teilzulassung von Zuschauern für die EM-Spiele in München ins Auge zu fassen. Als umsetzbar erscheint die Zahl 14 500, das ist ein Viertel bis Fünftel der Arena-Kapazität – je nach Bestuhlung, die international anders ist als in der Bundesliga. Ob das zu verantworten ist, mögen Epidemiologen, Virologen, Aerosolforscher und Modellierer beurteilen – klar dürfte aus Sicht des Fußballs sein, dass es wünschenswert wäre, den Stadien ihre Atmosphäre zurückzugeben. Und sei es nur ein bisschen.
Wie echter alles wirkt, wenn schon ein Zehntel einer Arena befüllt wird, hat sich bei der Eishockey-WM in Riga gezeigt, wo die Geisterspiele am Montag endeten und am Dienstag knapp 900 Fans kamen und den Spielern sogar in deren anaeroben Phasen ein Lächeln aufs Gesicht zauberten. Auch optisch machen Menschen was ganz anderes her als leere Stadionsitze. Oder als – und die sind noch schlimmer – verkleidete Stadionsitze. Mal ehrlich: Die gekünstelte Schwarz-Rot-Gold-Kulisse mit dem einfallslosen Schriftzug „Jogis Jungs“ am Mittwochabend beim Fußball-Länderspiel in Innsbruck war peinlich. Zwar ist der DFB bei der EM in München nur Gast, doch man mag sich gar nicht vorstellen, was die UEFA, die Hausherr sein wird, an scheinheiligen Botschaften in eine leere Allianz Arena pflastern würde.
Markus Söder würde, wenn er könnte, im Stadion sicher ein paar Planen mit bayerischen Motiven (Kutschfahrt auf Herrenchiemsee zum Beispiel) aufziehen – doch noch lieber wird er öffnen und womöglich Fußball-Deutschland retten, weil die 1:1-gegen-Dänemark-Nationalmannschaft gegen Frankreich und Portugal gar nicht erst anzutreten braucht. Söder als Wohltäter der Nation, Laschet, der keine EM-Spiele hat, wird’s stinken.
Guenter.Klein@ovb.net