Noch fehlt ein Stückchen zur Weltklasse

von Redaktion

Kai Havertz nimmt Lobeshymnen gelassen – Sein Nahziel lautet: Stammspieler in DFB-Elf werden

VON MANUEL BONKE UND PHILIPP KESSLER

Seefeld – Als Kai Havertz (21) auf der Pressekonferenz am Freitag in Seefeld in Tirol auf seinen aktuellen Spitznamen „Champ“ im DFB-Trainingslager angesprochen wird, ist es ihm beinahe unangenehm. Klar, der Offensivspieler schoss vor einer Woche den FC Chelsea im Champions-League-Finale gegen Manchester City mit seinem Gold-Tor zum Titel. Doch Star-Allüren sind dem Ex-Leverkusener, der 2020 für eine Ablöse von 80 Millionen Euro nach London wechselte, völlig fremd. „Den Begriff ,Champion’ kann man vielleicht zwei, drei Tage nach dem Spiel noch sagen. Aber irgendwann hört es dann auch wieder auf“, so Havertz bescheiden. „Jetzt ist der Fokus wieder auf anderen Dingen. Jetzt haben wir ein anderes Ziel vor Augen.“

Mit Deutschland will der Chelsea-Star unbedingt Europameister werden. Doch die große Frage, die sich vor dem Turnier stellt: Auf welcher Position soll Bundestrainer Joachim Löw (61) Havertz aufstellen?

Fakt ist: Der Aachener will am liebsten immer von Beginn an auflaufen. „Ich möchte Stammspieler sein. Ich bin ehrgeizig, möchte jedes Spiel spielen. So wie jeder andere im Kader auch. Aber man muss immer an die Mannschaft denken“, betont Havertz, der sich selbst als „kreativen Spieler“ sieht. „Ich lebe vom Instinkt, der Kreativität. Die letzten Monate hinweg habe ich viele Positionen gespielt, auch im Verein. Ich bin auch flexibel einsetzbar. Im offensiven Bereich fühle ich mich sehr wohl.“ Zu Hause ist er aber zentral hinter den Spitzen. Das Problem: Genau dort ist DFB-Rückkehrer Thomas Müller (31) bei Löw erst mal gesetzt.

„Wir lieben es beide im zentralen Mittelfeld zu spielen. Aber ich glaube, mittlerweile gibt es genügend Systeme, damit auch mehrere offensive Mittelfeldspieler auf dem Platz stehen. Thomas ist ein überragender Spieler, der das über Jahre hinweg auch zeigt. Klar, wir sind ein Team. Natürlich sind wir auch Konkurrenten. Aber wenn man nicht spielt, wünscht man dem anderen das Beste.“

Die von Löw bevorzugte Fünferkette mit drei Innenverteidigern wurde nach dem 1:1 am Mittwoch im Testspiel gegen Dänemark von Experten kritisiert. Eine Formation mit vier Abwehrspielern würde Havertz zugutekommen, da Löw einen Offensivspieler mehr einsetzen könnte. Die wahrscheinlichste Variante ist momentan aber, dass der Chelsea-Star über die rechte Angriffsseite kommt. Leroy Sané (25) müsste dann aus der Startelf weichen.

Unangefochtener Stammspieler bei Löw ist hingegen Innenverteidiger Antonio Rüdiger (28). „Er war sehr wichtig für uns in der Defensive, auch als Mentalitätsspieler in der Kommunikation“, schwärmt Havertz von seinem Chelsea-Kollegen. „Er ist ein Krieger auf dem Platz, der immer 100 Prozent gibt. Einer, den man sich wünscht, in der Mannschaft zu haben.“

Voll des Lobes war zuletzt auch Günter Netzer (76), Europameister von 1972, für Havertz. Der legendäre Spielmacher, der einst in Diensten von Mönchengladbach stand, attestierte ihm sogar „Weltklasse“. So weit sieht sich Havertz selbst aber noch nicht. „Natürlich freut einen das. Aber ich bin immer noch 21. Da fehlt immer noch viel zur Weltklasse. Das ist jetzt noch zu früh für mich“, meint der Champions-League-Sieger. „Aber ich hoffe, dass ich da auf einem guten Weg bin, um dann in fünf, sechs Jahren vielleicht dort angekommen zu sein.“

Artikel 1 von 11