Ljubljana – Die „Hyänenbande“ von Stefan Kuntz stellte den EM-Pokal in die Mitte der Tanzfläche, grölte „We are the Champions“ und legte dann eine flotte Sohle aufs Parkett. Am Rand schaute Raubtier-Bändiger Kuntz dem wilden Treiben genüsslich zu. „Der liebe Gott hat bei mir zwar das Alkohol-Gen vergessen, für zwei Gin Tonic hat’s aber gereicht“, sagte Kuntz einen Tag nach der Hotel-Party im Industriegebiet von Ljubljana, wo sich die deutsche U 21 nach Herzenslust austoben konnte.
Richtig fassen konnte Kuntz den EM-Triumph da aber noch immer nicht. „Diesem Jahrgang hat man am wenigsten zugetraut“, sagte Kuntz – und meinte mit „man“ durchaus sich selbst. Denn dass seine Mannschaft ohne viele Einzelstars, dafür aber mit Tugenden wie Teamgeist und Leidenschaft zum Titel stürmt, hätte auch der DFB-Trainer noch vor eineinhalb Jahren kaum geglaubt. „Die Mannschaft hat das gezeigt, was der auch durch Corona geschädigte Fan sich unter ehrlichem Fußball vorstellt. Sie haben Emotionen und Stolz gezeigt, für Deutschland zu spielen. Sie begeistern Jugend- und Amateurspieler. Diese Rolle haben die Jungs unglaublich ausgefüllt, unglaublich“, sagte Kuntz, der nach dem Titel sichtlich bewegt war.
Nicht nur seine Haare waren nach einer Bierdusche während der Pressekonferenz feucht, sondern auch seine Augen. Auch Joachim Löw, dessen Mannschaft nun bei der „großen“ EM ähnliche Tugenden zeigen will, schickte Glückwünsche. „Wir haben gestern zusammen geschaut. Das war echt super und großartig. Vor allem, wie ihr als Mannschaft aufgetreten seid. Ihr habt uns echt stolz gemacht“, sagte der Bundestrainer, dessen Nachfolger Kuntz beinahe geworden wäre – aber eben nur beinahe.
Doch womöglich ist Kuntz bei noch formbaren Profis wie in der U 21 genau richtig, wo er mit Vergleichen wie dem der „Hyänenbande“ zwar für Lacher, aber auch für Motivation sorgt. „Keiner kann Hyänen leiden, aber die kriegen zum Schluss immer, was sie wollen. Vorne beißt eine Hyäne dem Gnu in den Huf, kriegt zwar noch einen Schlag ab, aber dann kommen von hinten schon wieder vier neue“, sagte Kuntz über die „Defensivlust“-Mentalität seiner Mannschaft.
Bei seinen Spielern kommt das an. „Er hat das Wort Hyäne einfach in die Runde geworfen und uns damit gewissermaßen charakterisiert“, sagte Ridle Baku, der im Finale gegen Portugal (1:0) das Siegtor durch Lukas Nmecha vorbereitete. Nmecha, den Kuntz einst von einem Wechsel von England nach Deutschland überzeugte, klang ähnlich. „Wir haben einfach Bock, für ihn zu spielen“, sagte der EM-Torschützenkönig. Die Mitspieler reihten sich da nahtlos ein. „Ich werde mich auch in 60 Jahren noch an diese EM erinnern“, sagte Paul Jaeckel, Torhüter Finn Dahmen sprach vom „schönsten Moment meiner Karriere“.
Der im Finale überragende Baku fasste das alles zusammen: „Wir stehen jetzt in den Geschichtsbüchern des DFB, das kann uns keiner nehmen.“ Ob Baku, Nmecha, Florian Wirtz und Co. allerdings eine ähnlich große Zukunft bevorsteht wie den U 21-Europameistern von 2009, von denen sechs später in Rio Weltmeister wurden, bleibt fraglich. „Der Weg von der U 21 zur A-Nationalmannschaft ist sehr weit“, sagte Kuntz und verwies auf seine Europameister von 2017, von denen nur Serge Gnabry in Löws EM-Kader steht. Und Kuntz? Auf den Erfolgstrainer wartet nun mit Olympia das nächste Highlight, danach beginnt auch schon der lange Weg zur EM 2023. „Die Kraft ist auf jeden Fall noch da“, sagte Kuntz über Spekulationen, er werde nach Olympia aufhören.