Herzogenaurach – Die heißeste Vorbereitungsphase auf die EM startete mit einer verdammt kalten Dusche. Heftige Regenschauer begleiteten das DFB-Team, als es mit zwei Bussen in seinem „Home Ground“ in Herzogenaurach vorfuhr. Immerhin: Rund 100 Fans trotzten den Schauern und Gewittern und bereiteten der Nationalmannschaft einen freundlichen Empfang.
Im „Home Ground“ (übersetzt: heimischer Boden) wird Joachim Löws EM-Auswahl die nächsten Wochen wohnen – es soll zu einem Kraftort werden und die Basis für erfolgreiche Spiele sein.
Dass die Quartierwahl durchaus zum (Miss-)Erfolgsfaktor werden kann, haben die beiden vergangenen WM-Turniere gezeigt. 2014 in Brasilien lebte die DFB-Elf in der Wohlfühl-Oase Campo Bahia und wurde am Ende Weltmeister. 2018 in Russland wohnten die Nationalspieler in einer Art Plattenbau im Moskauer Vorort Watutinki – und schieden bekanntlich in der Vorrunde aus. Daraufhin hagelte es auch für „Quartier-Meister“ Oliver Bierhoff Kritik. Das soll nun vermieden werden. „Wir haben alle Möglichkeiten – was wichtig ist, damit Atmosphäre entsteht. Es ist wichtig, dass man sich wohlfühlen kann“, sagt DFB-Direktor Bierhoff.
Damit der Wohlfühl-Faktor nicht zu kurz kommt, haben sich die Architekten des „Home Ground“ einiges einfallen lassen. Die klein gehaltenen und trotzdem mit Licht durchfluteten Wohnhäuser bieten Platz für vier Spieler, sind im Grünen gelegen und von Bäumen umgeben. Bierhoff verrät: „Das Quartier konnten wir in unserem Sinne designen.“ Darum gibt es den zentral gelegenen Marktplatz inklusive Pool-Bereich, einen Beachvolleyball- und einen Paddletennisplatz, den Kapitän Neuer höchstpersönlich in Auftrag gab.
Im Trainingslager in Seefeld stellte Sponsor VW den Spielern bereits einen Renn-Simulator zur Verfügung. Der Andrang am Gerät war so groß, dass die Stars über Teammanager Thomas Behesthi vorsichtig nachfragen ließen, ob es denn möglich wäre, in Herzogenaurach noch ein zweites Gerät zu installieren. So könnten die Spieler zeitgleich gegeneinanderfahren. Der zweite VW-Simulator befindet sich derzeit auf dem Weg.
Ein Lagerkoller sollte angesichts dieser Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung also nicht entstehen. „Die erste Energie muss aber aus der Mannschaft kommen. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen.“ Dass der Teamgeist von Tag zu Tag wächst, war in Seefeld gut zu beobachten: Gemeinsames Golfen, Mountainbiken oder Tennis-Duelle sorgten für die nötige Abwechslung. Aus Spielerkreisen heißt es übrigens auch, dass selbst die gerne genutzte PlayStation-Spielekonsole nur selten zum Einsatz kommt, weil man sich lieber mit Brettspielen die Zeit vertreibt: So preist vor allem Kevin Volland sein Backgammon-Brett im Mannschaftskreis regelmäßig an – und findet großen Anklang.
Nur ein Nationalspieler lehnt noch vehement ab: Marcel Halstenberg. Hintergrund: Weil sein Backgammon-Gegenspieler Jonas Hofmann im März beim DFB-Lehrgang positiv auf Corona getestet wurde, musste er als Kontaktperson ersten Grades von der Nationalmannschaft abreisen und 14 Tage in Quarantäne. Wer weiß, vielleicht kann sich Halstenberg in den nächsten Wochen in Herzogenaurach überwinden.