Endlich eine EM ohne Gewalt?

von Redaktion

Diese EURO ist für die Hooligan-Szene reizlos

VON GÜNTER KLEIN

Jochen Breyer war fürs ZDF vor der pankontinentalen Europameisterschaft unterwegs in den Austragungsländern, auch in Ungarn, und dort traf er harte Jungs. Deren Anführer machte keinen Hehl aus seinem Rang und seiner Mission: „Hooligans Ferencvaros“ stand auf seinem T-Shirt. Einer, der sich für den Budapester Traditionsclub gerne auch mal prügelt. Und der im Gespräch erkennen ließ: Staatschef Orban, den der Westen so gar nicht mag, den findet er gut. Weil Orban keine Ausländer im Land haben will.

Budapest ist einer der Austragungsorte der EM mit zwei Gruppenspielen Ungarns (gegen Portugal und Frankreich) und einem Achtelfinale, zu dem es Niederlande, Kroatien, die Ukraine, Tschechien, Polen, womöglich sogar England verschlagen könnte. Hätte die EURO 2020 wie geplant stattgefunden, ohne ein Virus und im Zeichen der Reisefreiheit, wäre auf Ungarns Hauptstadt einiges zugekommen. Doch die Verlegung um ein Jahr bei noch immer anhaltenden Restriktionen entschärft zumindest die in normalen Zeiten angespannte Sicherheitslage. Denn gerade Turniere in Europa sind überschattet gewesen von Gewaltexzessen. Die Weltmeisterschaften 1990 (in Italien) und 98 (in Frankreich), ebenso die Europameisterschaften zwischen 2000 und 2016.

Vor 21 Jahren besetzten betrunkene Engländer die belgische Kleinstadt Charleroi, sie jagten türkisch aussehende Bewohner durch die Gassen – und das Krawallblatt „Sun“ befeuerte die Ausschreitungen. Die EM 2012 war das Fest polnischer Kampfsportgruppen, die sich vor dem Nationalstadion in Warschau auch nicht von großer Polizeipräsenz einschüchtern ließen. Das Turnier 2016 in Frankreich war vor allem am ersten Wochenende von Gewaltexzessen überschattet. In Marseille trafen am Hafenbecken Engländer und Russen aufeinander – eine für die Briten ernüchternde Begegnung, weil ihre Gegner aufmarschierten wie eine Armee aus top trainierten Elitesoldaten. Igor Lebedew, Vizepräsident des russischen Parlaments Duma, feierte die Hooligans aus seinem Land für ihre Männlichkeit. Kämpfen sei nichts Schlimmes. „Weiter so!“

In Lille terrorisierten Deutsche die Innenstadt. Auf ihren T-Shirts stand „Frankreich-Feldzug 2016“ – eine Anlehnung an den Überfall auf den Nachbarn im Zweiten Weltkrieg. Die Verfolgungs-Mechanismen griffen erst nach den Auftaktspielen – nach diversen Ausweisungen wurde es in Frankreich ruhiger.

Für die EURO 2020 wird Fan-Gewalt kein so dominierendes Thema sein wie sonst. Nach wie vor verhindern Quarantäne-Beschränkungen den Fußball-Tourismus; wer ins Stadion will, muss nachweisen, dass von ihm keine Infektionsgefahr ausgeht, ein Aufwand, den organisierte Gruppen nicht auf sich nehmen werden. Und es kommen – Ausnahme Budapest – überall weniger Zuschauer, da die Stadionkapazitäten eingeschränkt wurden.

Eine Garantie für eine entspannte EM gibt es freilich nicht. Rund ums Champions-League-Finale kürzlich in Porto prügelten sich Engländer, Fans von Chelsea und Manchester City, untereinander. Trotz Corona. In England herrschen während der EM nun wieder strenge Meldeauflagen für die bekannten Verdächtigen.

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