München – Boris Becker verfolgt die French Open als Eurosport-Experte. Im Interview zeigt er sich beeindruckt von Alexander Zverev und schätzt die Chancen auf einen Finaleinzug der deutschen Nummer eins ein.
Herr Becker, welche Schulnote würden Sie ihm für seine bisherigen Auftritte in Paris ausstellen?
Eine 2. Das war wirklich hervorragend. Nach den Problemen der ersten Runde hat er eigentlich fehlerfrei die nächsten vier Matches gespielt. Vielleicht war es auch wichtig für ihn, eine so schwere erste Runde zu haben, um wirklich ins Turnier reinzukommen. Das Match gegen Nishikori war absolute Weltklasse. Im Spiel gegen Davidovich Fokina kam er mehr über den Kampf zum Spiel. Was ihn jetzt auszeichnet ist, dass er auch relativ glatt gewinnt, wenn er nicht sein bestes Tennis spielt.
Stimmen Sie dem Eindruck zu, dass sich Zverevs Ausstrahlung und seine Wirkung noch einmal verändert haben?
Er ist ein cooler Spieler, er zeigt nicht groß Emotionen nach außen, auch wenn er mal nicht so gut spielt. Er bleibt eigentlich immer gleich und das schüchtert ein. Viele Spieler haben doch eine Berg- und Talfahrt, was ihre Emotionen angeht und das sieht man bei Zverev immer weniger. Er hat auch mal einen Moment, in dem er mal den Schläger schmeißt oder auch mal flucht, aber nicht permanent. Er akzeptiert auch Situationen, die nicht so gut laufen, schluckt das runter und spielt dann weiter. Was mich besonders beeindruckt, ist wirklich seine physische Dominanz, man hat nie den Eindruck, er wird jetzt mal müde oder ist nach einem langen Ballwechsel zehn Minuten außer Atem.
Worauf wird es gegen Tsitsipas ankommen?
Wenige Punkte. Ich glaube, es ist eine Frage der Einstellung, des Willens, auch der richtigen Strategie, aber vor allem des Glaubens. Derjenige, der mehr an die eigene Stärke glaubt, wird am Freitag gewinnen. Ich sehe keinen Favoriten, ich sehe nicht, dass eigentlich Tsitsipas gewinnen müsste, das sehe ich überhaupt nicht. Das Gleiche gilt für Zverev. Jeder hat die gleichen Chancen, es geht wirklich um die Tagesform.
Die Bilanz spricht für Tsitsipas.
Sie kennen sich sehr gut, haben als Teenager auch mal zusammen trainiert und zusammen bei Gastfamilien gewohnt. Also das ist ein ganz langes Verhältnis, die kennen sich wirklich in- und auswendig. Es gibt Spieler, die liegen einem mehr als andere. Es ist aber erst der Anfang der Karriere, sie werden noch mindestens zehn bis 15-mal gegeneinander spielen. Die Bilanz ist momentan für Tsitsipas, aber das letzte Spiel hat Zverev im März gewonnen. Ich gebe noch nicht zu viel auf die Bilanz.
Was halten Sie für realistischer: Dass Zverev die French Open gewinnt oder der DFB die EM?
Das ist eine Gretchenfrage, wie ich es beantworte, ist es schlecht. Ich bin mal direkt und sage, dass Zverev größere Chancen hat, Paris zu gewinnen. sid