Havertz hat die Nase vorn

von Redaktion

Für den Chelsea-Star wird Löw beim Auftakt wohl auf Sané verzichten

VON PHILIPP KESSLER

Herzogenaurach – Es kann nur einen geben – ein Satz, der nicht nur durch den 1986 veröffentlichten Film Highlander Berühmtheit erlangte. Es ist auch das Motto für die letzte Startelf-Entscheidung von Bundestrainer Joachim Löw (61) für das erste EM-Gruppenspiel Deutschlands am Dienstag in München gegen Frankreich. Leroy Sané (25) oder Kai Havertz (22): Wen wird Löw auf Rechtsaußen in seinem 3-4-3-System aufbieten?

Die Stärken von Bayern-Star Sané liegen in seinem Tempo, der Technik und Unberechenbarkeit. Er ist ein Spieler für die besonderen Momente, macht gerne das Überraschende. Was zudem für den Offensivspieler spricht: Er zählt zum eingespielten Bayern-Block mit Torwart Manuel Neuer (35), Joshua Kimmich (26), Serge Gnabry (26) und DFB-Rückkehrer Thomas Müller (31).

Aber: Von außen betrachtet wirkt Sanés Körpersprache oft lustlos, auch wenn dies nicht der Fall ist. Der Vorwurf, der in der Öffentlichkeit aktuell wieder diskutiert wird: Ihm fehle der Antrieb. „Ich liebe Sané auf dem Platz, aber es gehört die ein oder andere Disziplin dazu, die er noch lernen muss“, meint DFB-Legende Lothar Matthäus (60). Von Bayern-Kollege Niklas Süle (25) und Kimmich bekam er beim 1:1 gegen Dänemark Anpfiff, u.a. weil er nicht konsequent presste.

Klar ist aber auch: Sané hat sich in den vergangenen drei Jahren nach seiner WM-Ausbootung 2018 in der Defensivarbeit positiv entwickelt. Er schien diesmal bei der EM gesetzt zu sein… Doch dann geigte Chelsea-Star Havertz vor zwei Wochen mit seinem Gold-Tor beim 1:0 im Champions-League-Finale gegen Manchester City auf.

Der Ex-Leverkusener, der 2020 für eine Ablöse von 80 Millionen Euro zu den Londonern wechselte, hat derzeit im Kampf um einen Startelf-Platz bei Löw die Nase vorn. Fußballerisch macht Havertz ohnehin keiner was vor. Tauchte er in der Vergangenheit in Spielen öfters mal ab, tritt er seit dem Henkelpott-Triumph mit großem Selbstvertrauen und breitem Lächeln auf dem Platz in der EM-Vorbereitung auf. Bei der Pressekonferenz während des Camps in Seefeld in Tirol machte der sonst so zurückhaltende Havertz für seine Verhältnisse ungewohnt deutlich klar: „Ich will Stammspieler sein!“

In 14 Länderspielen war er an 13 Treffern beteiligt, Sané in 18 Partien an zehn. Havertz nutzte dabei 100 Prozent seiner Großchancen, der Bayern-Star die Hälfte. Die Effektivität des Chelsea-Spielers ist mit Sicherheit ein Plus, da Deutschland auf der Mittelstürmer-Position noch auf der Suche nach einem echten Knipser, wie früher beispielsweise Miro Klose (43), ist. Timo Werner (25), Chelsea-Kollege von Havertz, braucht derzeit zu viele Chancen, agiert vor dem Tor häufig unglücklich und war beim letzten Test vor der EM gegen Lettland (7:1) von Beginn an nur auf der Bank. Vorne in der Spitze spielte Gnabry. Der variable Angreifer kann das zwar, ist auch torgefährlich. Beim FC Bayern agiert er aber hauptsächlich über die Außen …

Havertz oder Sané? Fakt ist: Löw hat offensiv ein Luxus-Problem. Mit Sané hätte der Bundestrainer einen Spieler in der Hinterhand, der mit seinem Tempo und seiner Klasse selbst als Einwechselspieler noch den Unterschied gegen Weltmeister Frankreich machen kann.

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