Zwischen Euphorie und Depression

von Redaktion

Österreich hofft auf den ersten Sieg bei einer EM – doch Fodas Spielstil steht in der Kritik

Bukarest – Marko Arnautovic konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Völlig aufgelöst und mit zittriger Stimme sprach Österreichs Hoffnungsträger über seine schwere Zeit in China. „Ich habe mehrere Monate meine Kinder nicht gesehen und dort viel durchstehen müssen“, sagte der ehemalige Werder-Profi, „das war nicht einfach. Ich sehe das Leben jetzt anders.“

Seit fast zwei Jahren steht Arnautovic bei Shanghai Port unter Vertrag, richtig glücklich wurde der frühere Skandalprofi dort allerdings nie. Im österreichischen Nationalteam hat sich Arnautovic neben David Alaba derweil längst zum zuverlässigen Leistungsträger entwickelt – der nach seiner Rückkehr in die Heimat wieder neue Motivation geschöpft hat.

Er werde „alles dafür geben, dieses Land und meine Familie glücklich zu machen“, betonte der 32-Jährige vor dem Auftaktspiel der Gruppe C am Sonntag (18.00 Uhr) in Bukarest gegen EM-Neuling Nordmazedonien. Auf fußballerische Glücksmomente wartet die Alpenrepublik aber schon eine ganze Weile.

Die Elf des deutschen Teamchefs Franco Foda hat seit schier ewigen 316 Minuten keinen Treffer mehr erzielt. „Durch die jüngsten Ergebnisse und die Klatsche gegen Dänemark (0:4 in der WM-Qualifikation, Anm. d. Red.) ist die Euphorie um einiges geringer als 2016“, sagte Hoffenheims Christoph Baumgart.

Das müsse aber „nicht zwingend ein Nachteil sein, vielleicht erwartet man jetzt nicht so viel von uns“, sagte der 21-Jährige. Vor fünf Jahren sei diskutiert worden, „ob man sogar das Halbfinale schafft – und am Ende haben wir die Gruppenphase nicht überstanden.“

Jetzt herrschen andere Vorzeichen. Bei der dritten Teilnahme an einer EM-Endrunde will „Team Deutschland II“, in dessen 26-Mann-Kader 21 Spieler aus deutschen Bundesliga-Clubs stehen, erstmals einen Sieg feiern – und wenn möglich in der scheinbar machbaren Gruppe C mit den Niederlanden und der Ukraine auch ins Achtelfinale einziehen.

Die enormen Unterschiede in der Erwartungshaltung bei den Fans erklärte der populäre Wiener Kabarettist Alfred Dorfer: „Es gibt hier nur zwei Zugänge zur Nationalmannschaft: entweder deutliche Überschätzung oder tiefe Depression“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.

Dass derzeit eher tiefe Depression herrscht, liegt unter anderem an Foda. Der Deutsche wird aufgrund seines defensiven Spielstils bereits vor dem EM-Turnier heftig kritisiert, offensive Spielfreude mit druckvollem Gegenpressing wie vor fünf Jahren gibt es in der ÖFB-Elf nur noch selten zu sehen.

Trotzdem ist Foda, der 1987 zwei Länderspiele für Deutschland bestritt, zuversichtlich. Für das Duell gegen Nordmazedonien werde sein Team „auf den Punkt bereit sein, davon bin ich überzeugt“, sagte der 55-Jährige.

Und auch die Gemütslage bei Anhängern und Spielern werde laut Foda wieder besser werden: „Ich gehe davon aus, dass die Stimmung von Tag zu Tag steigen wird. Das Kribbeln wird kommen.“ sid

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