„Absichtlich abgeschossen“

von Redaktion

DFB-Stadionsprecher Andreas Wurm über Streiche der Stars und schwierige Namen

Hanau – Vor über zehn Jahren begann Andreas Wurms Karriere als Stadionsprecher der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Sein Länderspieldebüt gab er am 3. März 2010 beim 0:1 in München gegen Argentinien – gemeinsam mit Thomas Müller und Toni Kroos. Es war zugleich das letzte Länderspiel von Michael Ballack. Seitdem wird der 48-Jährige, der aus dem Hanauer Stadtteil Großauheim stammt, regelmäßig bei Länderspielen eingesetzt. Bei der Europameisterschaft ist er bei allen vier Spielen in der Fußball Arena München als Stadionmoderator im Einsatz.

Für die Münchner Arena sind 14 000 Zuschauer zugelassen. Wie wichtig sind Zuschauer für Sie und Ihre Arbeit Zuschauer?

Immens wichtig. Weil sie den Rahmen und die Atmosphäre für das Spiel bilden, die Emotionen für das Spiel transportieren. Und sie reagieren auf das, was man sagt. In einem etwas gefüllten Stadion passiert etwas. Da sagt man etwas und merkt, dass Zehntausende reagieren. Wir tun gut daran, bei der Euro ein Stück weit zum Normalbetrieb zurückzukehren.

Sie leben in Hamburg. Verbringen Sie die komplette EM in München oder pendeln Sie zu den Spielen?

Ich kann nicht die ganze Zeit in München sein, deswegen pendele ich. Das ist aber nicht ganz so einfach, weil die Uefa lange Zeiten vorgibt, die man im Stadion zu sein hat. Ich muss schon acht Stunden vor dem Spiel in der Arena sein. Auf dem Weg von Hamburg nach München komme ich auch immer bei meinen Eltern in Hanau vorbei. Zwischen den Spielen arbeite ich als Radiomoderator bei Antenne Niedersachsen.

In der Vorrunde präsentieren Sie die Aufstellungen der deutschen Nationalmannschaft ebenso wie die der portugiesischen, der französischen sowie der ungarischen, deren Namen Ihnen vermutlich die größten Probleme bereiten.

Das stimmt. Die Namen habe ich ja von den offiziellen Meldelisten. Aber am Spieltag selbst gehe ich zu den Beteuern und lasse mir die Namen noch mal vorlesen. Das hilft auch, um sich im Zweifelsfall Eigenheiten eines Namens erklären zu lassen.

Haben Sie im Stadion Kontakt zum Team oder sind die Spieler in ihrem Tunnel?

Zuletzt waren wir bei Länderspielen aus Bubble-Gründen nicht am Spielfeld, sondern auf der Tribüne. Bei der Euro bin ich im Innenraum, da kommt es schon zu Kontakt mit einzelnen Spielern. Da kann es schon mal sein, dass dir einer Hasenohren macht, wenn du gerade auf Sendung bist, oder dass du beim Warm-Up absichtlich abgeschossen wirst. Gerade von Leuten wie Thomas Müller kann schon mal was kommen. Aber unter Pandemiebedingungen geht man bewusst auf Abstand.

Sind Ihnen die Nationalspieler, die schon mehrere Jahre dabei sind, vertraut?

Natürlich ist die Mannschaft ein in sich geschlossener Bereich, aber wenn man sich über einen so langen Zeitraum immer mal sieht, entsteht eine gewisse Verbindung, wenn auch keine freundschaftliche. Ich habe das erste Spiel von Thomas Müller und Toni Kroos gemacht, habe deren ganze Nationalmannschaftskarriere eng verfolgt. Das hat teilweise schon in der U21 begonnen. Ich könnte jetzt aber in meinem Telefonbuch keinen der Spieler raussuchen.

Was erreicht die deutsche Mannschaft in diesem Sommer?

Wir haben mit dem Welt- und dem Europameister die wahrscheinlich schwersten Brocken. Wenn du dich allerdings gegen diese beiden oder nur einen der beiden durchsetzt, ist das ein Ausrufezeichen für die anderen. Wir werden mindestens das Viertelfinale erreichen, ich gehe aber fest vom Halbfinale aus. Das ist vielleicht auch ein bisschen durch die schwarz-rot goldene Brille gedacht, aber mit weniger Anspruch dürfen wir nicht ins Turnier gehen.

Interview: Thorsten Jung

Artikel 1 von 11