Sevilla/St. Petersburg – Als Luis Enriques schwer enttäuschte Spanier weit nach Mitternacht in ihr Teamquartier in Las Rozas zurückkehrten, hatten die Medien das Urteil zum torlosen EM-Auftakt längst gefällt. „Die Dürre Spaniens geht weiter“, titelte die Marca am Morgen nach dem 0:0 gegen Schweden.
„Was falsch gelaufen ist? Es ist ziemlich klar, jeder hat das gesehen“, motzte Enrique angesichts der unglaublichen, teils sogar absurden Dominanz. Doch auch 85 Prozent Ballbesitz und fast 1000 Pässe führten in Sevilla nicht zu einem Treffer.
Das spanische Team kämpft mit einem Sturmproblem. Schon beim EM-Test gegen Portugal war die „Rote Furie“ nicht über ein 0:0 hinausgekommen. Nun ließ der Mitfavorit erneut teils beste Chancen liegen.
Im Zentrum der Kritik: Stürmer Alvaro Morata, der die klarste Gelegenheit kurz vor der Halbzeitpause freistehend neben das Tor setzte. Der Juve-Angreifer ist seit vier Länderspielen „trocken“, wie die spanischen Medien erfolglose Stürmer gerne nennen. Die Auswechslung des Offensivspielers quittierten die Fans mit Pfiffen.
Sie haben einen Plan, wie das Sturmproblem zu lösen ist. Gerard Moreno, spanischer Torschützenkönig von Europa-League-Sieger FC Villarreal, saß gegen die destruktiven Schweden 74 Minuten auf der Bank. Als er schließlich aufs Feld durfte, brachen die 10 559 Anhänger in Jubel aus. Doch auch dem 29-Jährigen gelang der ersehnte Siegtreffer nicht.
Die Stürmerdebatte kommt vor dem Duell mit den ebenfalls enttäuschenden Polen am Samstag (21.00 Uhr) in Fahrt. Man kann eben auch mal untertauchen in einem Spiel, sogar als Weltfußballer. Robert Lewandowski hatte an der 1:2 (0:1)-Pleite gegen die Slowakei mächtig zu knabbern. Er blieb über das gesamte Spiel in St. Petersburg ein Schatten seiner selbst – wie so oft bei großen Turnieren. Für das „System Lewandowski“, das bei Bayern München so perfekt funktioniert, fehlt Polen die Qualität im Kader. Und ein klarer Plan, wie der Ausnahmekönner am besten in Szene gesetzt werden kann.
„Alleine Spiele gewinnen, das konnten nur Pele und Maradona“, sagte die polnische Stürmer-Ikone Grzegorz Lato der polnischen Zeitung Fakt. Der Stürmerstar bekam im Strafraum keine verwertbaren Anspiele. „Der letzte Pass“, sagte Lewandowski zerknirscht, „kam sehr oft nicht an.“ Dass ausgerechnet sein ärgster Bewacher Milan Skriniar den 2:1-Siegtreffer (69.) für die Slowaken erzielte, rundete das Bild ab. sid