München – Deutschlands Fußball-Experten fordern nach dem verpatzten EM-Auftakt gegen Frankreich eine System-Umstellung bei der Nationalmannschaft. Der Wunsch: Joachim Löw (61) soll von seiner Dreierkette mit zwei Außenverteidigern abrücken und stattdessen auf vier Abwehrspieler setzen. Auch die Spieler haben diese Variante untereinander diskutiert. Doch der Bundestrainer denkt offenbar nicht daran.
Die große Frage: Hält Löw an seiner umstrittenen Taktik auch am Samstag (18 Uhr) in München gegen Portugal fest? Klang danach auf der Pressekonferenz am Freitagabend.
„Das System spielt keine Rolle, das ist so etwas von flexibel. Daran muss man sich nicht festbeißen“, betont Löw. „Ich möchte kein starres System, ich möchte Flexibilität.“ Was der Coach zudem will: „Mehr Offensivkraft! Nach vorne müssen wir dynamischer, risikofreudiger, intensiver und präziser auftreten, auch was Raumaufteilung betrifft. Defensiv wird es nicht so viele taktische Änderungen geben.“
Der Trainer steht also weiterhin zu seiner Dreierkette. Sportpsychologe Matthias Herzog (44) verwundern diese Aussagen nicht. „Jogi hat in seiner Persönlichkeitsstruktur einen hohen Rotanteil. Diese Personen sind Machtmenschen, treffen schnell Entscheidungen, gelten oft aber auch als beratungsresistent“, so die Einschätzung des Experten im Gespräch mit unserer Zeitung.
2019 sortierte Löw Mats Hummels (32) und Thomas Müller (31) aus Gründen des geplanten DFB-Umbruchs aus, revidierte dies pünktlich zur EM aber wieder. Seine Taktik verteidigt er indes noch immer. „Es kann sogar sein, dass Jogi selbst erkannt hat, dass er mit der Taktik nicht weiter kommt. Aber schon aus Prinzip, dass ihm andere nahegelegt haben zu wechseln, lässt ihn stur bleiben und sagen: Jetzt erst recht“, meint Herzog.
Womöglich ist das Ziel EM-Titel zum DFB-Abschied von Löw aber eher mit einer Viererkette zu erreichen. Damit gewinnt das Team im Mittelfeldzentrum einen Spieler, vor allem Joshua Kimmich (26) würde mit seiner Aggressivität guttun. Sein Partner in der Zentrale hätte dann dadurch mehr Ressourcen für die Offensive.
„Jogi vermittelt den Spielern aktuell den Eindruck, ihnen nicht komplett zu vertrauen“, sagt Herzog. „Ursache ist jedoch der Trainer, nicht die Spieler. Die könnten, wenn sie denn dürften.“ Der Sportpsychologe ist zudem sicher, dass der Löw-Nachfolger Hansi Flick (56) das gesamte Team wieder besser machen kann: „Wir werden eine ganz andere Mannschaft sehen, plötzlich wieder spielfreudig, überzeugend und erfolgreich. Das allein schon durch den Trainerwechsel.“