München – Wenn ich Deutsche kennenlerne, werde ich – immer – mit zwei Vorurteilen konfrontiert: Jeder Österreicher kommt aus Wien. Und jeder Österreicher kann Ski fahren.
Ich wurde in Graz geboren und bin seit bestimmt zehn Jahren nicht mehr auf zwei Brettern gestanden. Meist geht das Gespräch danach in Richtung Fußball – und dann werde ich für mein Land, das für Wiener Schnitzel, Sacher-Torte und Kaiserschmarrn weltweit geschätzt wird, belächelt. Das hat jetzt endlich ein Ende. Eine Genugtuung!
Der 21. Juni 2021 war ein guter Tag, um österreichische Fußball-Geschichte zu schreiben. Das Nationalteam gewinnt in Bukarest gegen die Ukraine mit 1:0, zieht damit zum ersten Mal in die K.o.-Runde einer EM ein. Gegner im Achtelfinale: Italien. Bist du deppat, Oida!
„Die Geschichte ist noch nicht vorbei. Wir haben noch viel vor. Und ich bin sicher, dass auch die Italiener mit uns zu kämpfen haben werden“, betonte unser Gold-Torschütze Christoph Baumgartner nach Schlusspfiff. Eine Aussage, die sinnbildlich für das neue Selbstvertrauen Österreichs ist.
Das Nationalteam besteht hauptsächlich aus Deutschland-Legionären, die bei ihren Clubs in der Bundesliga Leistungsträger sind. Auch wenn Spieler wie Michael Gregoritsch oder Alessandro Schöpf bei ihren Vereinen eine bescheidene Saison hinter sich haben – der ÖFB ist für sie eine Wohlfühloase. Hier bekommen sie den Kopf frei, es herrscht ein anderer Spirit als bei Augsburg oder Schalke. Hinzu kommt: David Alaba hat sich spätestens seit der EURO zum Leader im Österreich-Trikot entwickelt. Gegen Nordmazedonien war er überall zu finden. Sogar im Gesicht von Marko Arnautovic, als er versuchte, diesem bei seinem Schimpfanfall die Pappalatur zuzuhalten …
Und dann wäre da noch Franco Foda, unser deutscher Trainer. In meiner Heimat hat er beim SK Sturm Graz bei einigen Fans Helden-Status erreicht. Als Spieler war er um die Jahrtausendwende Teil der glorreichen Champions-League-Mannschaft, als Coach führte er die „Blackies“ nach dem Konkurs zum Meistertitel und Pokalsieg. Als Nationaltrainer wurde der Halb-Italiener vor der EM von Fans und Journalisten heftig kritisiert. Sein Fußball sei nicht ansehnlich genug. Solche Kommentare, vor allem von Internet-Teamchefs, liest Foda nicht, für ihn sind das Energieräuber. Er geht seinen Weg. Und der ist erfolgreich – nicht umsonst ist Foda der ÖFB-Trainer mit dem besten Punkteschnitt.
Was mir zudem am Nationalteam gefällt: Alle Protagonisten singen vor Anpfiff die Nationalhymne. Auch Spieler mit Migrationshintergrund. Und Franco Foda. „Land der Berge“ gibt dem gebürtigen Mainzer Energie.
Die „Bild“ titelte am Montagabend: Liebe Ösis, willkommen bei den Großen! Ich sage: Liebe Piefke, wir haben euch 2018 beim letzten Duell mit 2:1 besiegt. Wir haben im Gegensatz zu euch Nordmazedonien geschlagen. Und nun haben wir euch gezeigt, wie man in die K.o.-Runde bei der EM einzieht. Bei aller lieb gemeinten Stichelei: Wir würden euch gerne ab heute Nacht in der Runde der Großen begrüßen dürfen.
Übrigens: Am Ende des Textes sag ich’s voll Stolz: I am from Austria.