München – Sie haben so gut wie keine Geheimnisse mehr voreinander. Seit sechs Jahren spielen DFB-Abwehrmann Lukas Klostermann (25) und Ungarns Keeper Peter Gulacsi (31) zusammen bei RB Leipzig, bei der EM gibt es nun ein Wiedersehen. Zwar fällt das direkte Aufeinandertreffen an diesem Mittwoch wegen Klostermanns Muskelverletzung ins Wasser – nicht aber die Fachsimpelei vor dem Anpfiff, zu der unsere Zeitung die beiden Teamkollegen einlud.
Herr Klostermann, seit sieben Monaten wissen Sie, dass die DFB-Auswahl bei der EM auf Ungarn und Ihre Leipziger Teamkollegen Peter Gulacsi und Willi Orban treffen würde. Ausgerechnet jetzt mussten Sie sich verletzten . . .
Klostermann: Das ist sehr bitter, denn wir haben tatsächlich oft über das Spiel gesprochen. Aber nun werde ich natürlich von außen die Daumen drücken. Schade drum. Gulacsi: Ja, schade. Wenn dir ein Mitspieler im Länderspiel gegenübersteht, ist das etwas Spezielles. Noch dazu bei einer EM. Aber vielleicht spielt ja Marcel Halstenberg gegen uns. Das wäre dann auch ein Leipziger Duell.
Herr Gulacsi, Ihr Land ist zum zweiten Mal in Folge bei der EM dabei. Eine kleine Renaissance des ungarischen Fußballs?
Gulacsi: Es geht in jedem Fall in die richtige Richtung. Das sieht man auch daran, dass sich Vereine wie Ferencvaros oder Videoton zuletzt mal für die Champions League oder Europa League qualifiziert haben. Auch wir als Nationalteam sind in die A-Gruppe der Nations League aufgestiegen. Die Gegner werden nun immer schwerer, aber der Entwicklung tut das gut.
Was für einen Unterschied macht es, wenn plötzlich Superstars wie Kylian Mbappé und Cristiano Ronaldo auf einen zulaufen und nicht Stürmer aus Bielefeld oder Augsburg?
Gulacsi: Ich kannte beide zum Glück schon aus der Champions League und von Länderspielen. Diese Qualität, in voller Geschwindigkeit gute Entscheidungen zu treffen – das ist noch mal was anderes. Aber deswegen zählen sie ja auch zu den besten der Welt.
Klostermann: Es ist tatsächlich von großem Vorteil, dass wir seit drei Jahren in der Champions League auf solche Spieler treffen. Das macht die Umstellung trotz aller Qualität jetzt nicht so schwer.
Herr Klostermann, da Sie ja in Leipzig mit drei Ungarn zusammenspielen: Sind Sie jetzt einer der wichtigsten Tippgeber im DFB-Team?
Gulacsi: Wir geben immer falsche Informationen, er wird sich wundern . . .
Klostermann: Deshalb muss ich da ein wenig aufpassen, bevor ich hier mit Wissen prahle (lacht).
Ihren Keeper aber kennen Sie in- und auswendig. Was schätzen Sie an ihm?
Klostermann: Peter ist sehr, sehr stabil. Er ist nicht umsonst in Leipzig zum Publikumsliebling geworden. Obwohl lange keine Fans mehr da sein durften, habe ich die Sprechchöre für ihn im Ohr.
Gulacsi: Die Blumen kann ich nur zurückgeben. Lukas und ich spielen seit sechs Jahren zusammen, und mir fällt jetzt spontan kein einziger schwerer Fehler von ihm ein.
Bei der EM aber dürften Sie gänzlich unterschiedliche Ziele haben.
Gulacsi: Die Gruppe zu überstehen wäre ein riesiger Erfolg. Vielleicht ja als einer der vier besten Gruppendritten, da könnte schon ein Sieg reichen. Die Chance haben wir.
Klostermann: Wir wollen natürlich weit kommen und haben den Anspruch, im Laufe des Turniers unser Leistungsmaximum zu erreichen. Dann ist vieles möglich, ich bin da sehr optimistisch.
Halten Sie einen Außenseiter-Triumph wie den der Griechen 2004 heutzutage noch für möglich?
Klostermann: Ja, auch wenn es unwahrscheinlich ist. Aber man sieht ja , wie alles immer weiter zusammenrückt. Das liegt daran, dass immer mehr Spieler kleinerer Länder in den großen Ligen spielen. Deshalb werden auch Außenseiter bei Turnieren eine gute Rolle spielen können.
Gulacsi: Du willst uns in die Favoritenrolle drängen, was?
Klostermann: So war es gedacht (lacht).
Auch wenn Sie das direkte Duell verpassen – wie groß ist die Chance, dass wir Sie bei dieser EM noch auf dem Feld sehen?
Klostermann: Ich sage mal so: Je weiter wir kommen, desto größer wird die Chance.
Interview: Simon Braasch