München – Es begann zu regnen. Ein hartes Prasseln auf die Außenhaut der Münchner Arena, das den Sound nahenden Unheils heraufbeschwor. Der Himmel machte zu, verdunkelte sich, und es war klar: Einen zarten Regenbogen würde die Natur an diesem hereinbrechenden Abend nicht über das Fußballstadion in Fröttmaning zaubern.
Und dennoch: Es war der Tag, der im Zeichen des Regenbogens stand. In ganz Deutschland, wo in 42 Städten Stadien erleuchtet oder angestrahlt wurden, weil die UEFA den Antrag des Münchner Stadtrats abgelehnt hatte, dies in der dortigen Arena zum EM-Spiel Deutschland – Ungarn zu tun. Firmen und Behörden färbten ihre Logos, am Münchner Rathaus hingen sechs elf Meter lange Regenbogen-Flaggen, am Hauptbahnhof sahen die mit dem Railjet über Österreich aus Ungarn angereisten Fans neben sportlichen Polizisten mit allerlei interessanten Utensilien wie Handschellen, die am Gürtel baumelten, auf den Scheiben das Symbol der Bewegung für die Rechte von Minderheiten und für sexuelle Selbstbestimmung kleben. Im Stadion dann begrüßte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den ungarischen Fußball-Präsidenten Sandor Csanyi. Söder trug eine Regenbogen-FFP2-Maske.
Das Symbol sichtbar werden zu lassen, das war die eine Mission des Abends. Es gelang. Die Organisationen Christopher Street Day Deutschland, Amnesty International, M-Team München und Safety Aktionsgruppe verteilten 11 000 Fähnchen, manche Fans ergatterten auch die farblich dazu passenden Mundschutze, wie Söder einen hatte. Und als die Nationalhymnen gespielt wurden und die beiden Teams auf dem Platz standen, rauschte ein (angezogener) Flitzer mit Regenbogen-Flagge aufs Feld. Von den Ordnungskräften wurde er recht rigide hergenommen.
Zweites Thema des Abends war die Sorge, dass ungarische Fans für eine Eskalation sorgen könnten. Alarmstimmung herrschte, weil eine der rechten Gruppierungen, die „Nordic Sun Budapest“ Sachpreise aussetzte für jene, die erbeutete „Pride“-Souvenirs aus München mitbringen (die man den Deutschen natürlich gewaltsam wegnehmen müsste). Die Münchner Polizei achtete besonders auf die „Karpaten-Brigade“, die sich am Wiener Platz und im Olympiapark traf, allerdings – zumindest offiziell – nicht auf Konflikt aus war. Sie schrieb: „Deutsche Medienhysteriker in den letzten Tagen sind hart, aber versuchen wir ruhig, diszipliniert, mit ungarischem Verstand damit umzugehen und keineswegs einer möglichen Provokation zu begegnen.“ Der ungarische Block in der Nordkurve sorgte dennoch für Probleme: Keine Masken, keine Abstände. Tagsüber hatte die Polizei kleinere Delikte aus dieser Gruppe vermeldet.
Verlierer des Tages war die UEFA, die am Mittag versucht hatte, eine neue PR-Strategie einzuschlagen. Auf einmal präsentierte auch sie ihr Logo im Regenbogen-Look und erklärte: „UEFA Respects the Rainbow“, sie achtet den Regenbogen, der doch für nichts anderes stünde als ihre Kernwerte. Ihre Entscheidung gegen eine Illuminierung des Stadions sei fälschlicherweise als politisch interpretiert worden. Doch politisch, so nahm der Verband seine Argumentation vom Vortag wieder auf, sei allein die Eingabe des Münchner Stadtrats gewesen.
Verheerend für die UEFA indes der ZDF-Auftritt des glaubwürdigen Thomas Hitzlsperger. Er sagte, seinen Informationen nach habe der DFB bereits Ende Mai bei der UEFA beantragt, München leuchten zu lassen, gerne auch an einem spielfreien Tag. Ohne speziellen Kontext. Die UEFA habe wegen der Kurzfristigkeit abgesagt.