„Platz 100 reicht mir nicht“

von Redaktion

Tennis-Trainer Geserer über neue deutsche Damen-Hoffnungen und das Ende mit Brady

München – Sie galten als das neue sportliche Traumpaar im weltweiten Damentennis – als transatlantische Erfolgsgeschichte: US-Senkrechtstarterin Jennifer Brady und der deutsche Trainer Michael Geserer. Für die Arbeit mit dem 51-Jährigen, der auch schon erfolgreich mit Julia Görges und Philipp Kohlschreiber gearbeitet hat, verlegte Brady extra ihren Trainingssitz von Florida ins beschauliche Regensburg, der Heimat von Geserer. Sofort stellten sich Erfolge ein. Ein Turniersieg in Charleston und das Finale der Australian Open als Höhepunkt. Doch vor wenigen Wochen der Knall. Die 26-jährige Brady beendete die Zusammenarbeit mit dem Deutschen.

Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Regensburger zum ersten Mal über die Gründe für das Aus. Und wie er mit den beiden deutschen Talenten Jule Niemeier und Mara Guth bereits die nächsten hoffnungsvollen Spielerinnen nach Regensburg locken konnte.

Herr Geserer, wie aus dem Nichts kam die Meldung, dass Sie und Jennifer Brady künftig getrennte Wege gehen. Eine gemeinsame Entscheidung?

Die Konsequenzen tragen wir natürlich gemeinsam. Aber der Wunsch, die Zusammenarbeit zu beenden, kam von Jennifer.

Wie hat sie ihren Wunsch begründet?

Es gab kein langes Gespräch, in dem sie alle Beweggründe ausführlich dargelegt hat. Das muss sie auch nicht. Wenn eine Sportlerin das Gefühl hat, es bedarf neuer Impulse, muss sie handeln. So ist das Geschäft. Persönliche Eitelkeiten sind da fehl am Platz. Das weiß man, wenn man im Profisport arbeitet.

Dennoch kam es überraschend. Sie waren zusammen sehr erfolgreich.

Das ist richtig. Ich bin allerdings überzeugt, dass Ihr ein neuer Input, ein Trainingsstandortwechsel zurück in die USA und eine neue Sichtweise gut tun wird. Mit ihrem neuen Coach Brad Stine ist sie nun auch wieder in den USA hervorragend betreut.

Ohne Corona würden sie noch zusammenarbeiten?

Schwer zu sagen. Die Gesamtsituation und die Reiseeinschränkungen waren allerdings in der Tat eine besondere Herausforderung,

Seit einigen Wochen trainiert Jule Niemeier bei Ihnen in Regensburg. Sensationell erreichte sie das Halbfinale in Straßburg. Das scheint zu passen.

Bis jetzt auf jeden Fall. Wobei auch ihr vorheriger Trainer einen guten Job gemacht hat. Manchmal braucht es ein paar neue Einflüsse, dass der Knoten platzt. So war es mit Jennifer Brady ja auch. Wir haben Jule den Glauben an ihr Spiel verstärkt. Sie tritt aktuell sehr selbstbewusst und dominant auf dem Platz auf.

Bis wohin kann ihre Reise führen? Top 100? Top 50?

Ich posaune ungern irgendwelche Ranglistenpositionen als Ziel hinaus. Aber lassen Sie es mich so sagen: Wir arbeiten hier nicht so hart und professionell jeden Tag, um uns mit Platz 150 zufriedenzugeben. Auch nicht mit Platz 100.

Niemeier stammt aus Dortmund. Ist sie nach Regensburg umgezogen?

Ja. Vor wenigen Tagen hat sie ihre Küche bekommen und die letzten Schränke sind eingebaut. Jetzt hat sie eine komplette Wohnung in Regensburg.

Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit?

Im Team. Ich bin nicht ihr alleiniger Trainer. Die ersten Turniere hat sie mit meinem Partner Matthias Mischka bestritten. In Straßburg war Bogdan Dzudzewicz von unserer Akademie an ihrer Seite, er wird sie hauptsächlich auf den Turnieren betreuen. In Regensburg arbeite aber auch ich viel mit ihr. Genauso wie Florian Zitzelsberger, der Jule bereits seit einem Jahr therapeutisch begleitet und das Athletik Training verantwortet.

Können Sie sich vorstellen, noch einmal einen Spieler oder eine Spielerin komplett auf der Tour zu begleiten?

Schon. Jedoch muss es dann sehr gut passen. Nach dem Jennifer mir mitgeteilt hat, dass sie sich verändern möchte, hatte ich plötzlich mehr Zeit als gedacht. Das habe ich genutzt, um mit meiner Familie ein wenig Urlaub in Österreich zu machen. Das hat extrem gut getan. Die Balance aus Familie und Job ist im Profitennis mit dem ständigen Reisen rund um den Globus ein schwieriges Unterfangen.

Sportlich haben die deutschen Damen bei den French Open eine historische Pleite erlebt. Mit keinem Satzgewinn in der ersten Runde. Müssen wir uns daran gewöhnen?

Glaube ich nicht. Es kommen schon einige Spielerinnen nach – wie eben Jule Niemeier. Oder auch Mara Guth, die erfolgreich bei den Juniorinnen in Paris gespielt hat und in Zukunft ebenfalls bei uns in Regensburg trainiert. Und in Wimbledon kann es schon wieder ganz anders aussehen. Mit Angelique Kerber ist auf Rasen immer zu rechnen.

Interview: Daniel Müksch

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