TV-KRITIK
Willkommen im ZDF, dem Zweiten Diversen Fernsehen! Die Mainzer haben gestern sehr unterhaltsam die Regen(bogen)-Schlacht gegen Angstgegner Ungarn übertragen, gegen den wir seit 67 Jahren kein Pflichtspiel mehr gewinnen konnten. Gut, es gab auch keine Pflichtspiele mehr seit der letzten Begegnung 1954, die für Ungarn recht unglücklich endete. Damals war der Regenbogen noch kein Thema, es war ja alles Schwarzweiß. Aber weil viele Menschen mittlerweile Farbfernsehgeräte besitzen, haben wir für Sie den Regenbogen-Check beim Fritz-Walterigsten Wetter aller Zeiten. Wer trieb es bunt? Wer schillerte?
UEFA-Grau – die Schlabberhose von Gábor Király: Man war gespannt, wen das ZDF ins Studio einlädt. Kommt Pride-Legende Paul Pridener? Tragen irgendwelche diverse Herren Marika-Röck? Im Vorfeld war Löwen-Liebling Gábor Király angesagt, Weltbotschafter der grauen Schlabberhose. Doch er ließ sich entschuldigen, wahrscheinlich wegen Wetter. Ohne Fremd-Experte war’s aber auch schön. Der chronisch optimistische Christoph Kramer ahnte vor dem Anpfiff noch: „Dat wird was!“ Dat hamwa alle gedacht. In der Pause klang das nicht mehr ganz so dufte: „Brechstange ist ein hässliches Wort, aber wir müssen sie ein bisschen rausholen.“
Schillernd – Jochen Breyer: Im Euphorie-Sender ZDF waren wir vor dem Spiel fast schon Europameister. Moderator Breyer feierte den Stimmungsumschwung im Land: „Die Schwere der letzten Monate ist irgendwie weg.“ Die Stimmung in Deutschland war die letzten Tage dermaßen überschäumend, selbst Oliver Kahn wollte niemanden mehr beißen. Viele prächtig gelaunte Menschen gründeten Claudia-Neumann-Fanclubs. So kann man sich täuschen, zur Halbzeit waren wir raus.
Farbenfroh – Christoph Kramer: Der Li-La-Laune-Experte malte die deutschen Chancen in den buntesten Farben. Seine Prognose: „EM in München – klar, dass da die Bude brennt.“ Nur der Stress der deutschen Spieler machte ihm Kummer: „Wenn es sogar den unkaputtbaren Thomas Müller mit seinem Gazellenkörper erwischt.“ Müller konnte aber zunächst nur zuschauen – genau wie der letzte noch lebende Wunder-Held, den Jochen Breyer würdigte: „Ich habe gelesen, dass Horst Eckel heute zuschauen wird. Herzliche Grüße aus Mainz!“
Rege – Sandro Wagner: Vor dem Spiel hatte ZDF-Reporter Sven Voss einen spannenden Personalvorschlag. Er analysierte: „Sandro Wagner, ein Stürmertyp, den wir aktuell in Deutschland nicht haben.“ Der Sandro fand’s gut. Beim Co-Kommentieren musste man sekündlich damit rechnen, dass sich Wagner als Brecher selbst einwechselt. Der nicht übertrieben sprachgewaltige Oliver Schmidt hatte einen soliden Tag erwischt. Beim frühen Gegentor in der Münchner Wankdorf-Arena („Noch mehr Regen als in Bern“) litt er hörbar: „1:0 für Ungarn, die kalte Dusche im Regen.“ Später haderte er: „Je stärker der Regen wird, desto undurchsichtiger wird das deutsche Spiel.“ Sandro Wagner hatte sich seriös vorbereitet: „Szalai und Sallai, die Aussprache habe ich lange geübt.“ Der Ex-Bayer, das aktuelle Wortstudio vom ZDF, forderte früh Maßnahmen gegen die renitenten Ungarn: „So Jungs, jetzt seid ihr genug in die deutschen Knochen gesprungen, jetzt gibt’s mal eine gelbe Karte.“ Radio Wagner hatte zur Halbzeit die beste Idee des Abends. „Was muss noch passieren, Sandro?“ „Ein Tor!“ JÖRG HEINRICH