Die deutschen Fans werden very British sein

von Redaktion

DFB-Tickets gehen an „Expats“, die in Großbritannien leben – allerdings sind auch sie das typische Schland-Publikum

Herzogenaurach – Deutsche Fans hätten sich gleich in der Nacht nach dem Ungarn-Spiel nach England aufmachen müssen, um sich dort umgehend in Quarantäne zu begeben und sich rechtzeitig zum Achtelfinale der DFB-Elf gegen England (Dienstag, 18.00 Uhr) freizutesten. Das Viertelfinale am Samstag in Rom, so es denn von ihrem Team erreicht würde, könnten sie knicken, da sie nach dem Verlassen des Virusvariantengebiets England erst einmal wieder in Isolation müssten (zehn Tage, nicht verhandelbar). Nun, wo die Gruppenphase mit den Heimspielen vorbei ist, treffen die Deutschen die Reise-Einschränkungen in der Corona-Pandemie.

10 000 Tickets hätte der DFB haben und über seine Kanäle vertreiben können, lediglich 2000 hat er beantragt – um sie an Deutsche zu vergeben, die nicht nach England einreisen müssen, weil sie dort leben. „Wir werden unsere Fans vermissen. Normal würden viele Deutsche den Weg nach London finden“, sagt DFB-Sprecher Jens Grittner. Die deutsche Mannschaft hat immer Völkerwanderungen ausgelöst. Sogar im zehn Flugstunden entfernten Südafrika waren 2010 bis zu 30 000 Deutsche in den Stadien, viele auf gut Kartenglück, in Brasilien 2014 tourten zumindest Tausende durch das Land mit seiner komplexen Logistik.

Nun bleiben nur deutsche „Expats“. Letzte verifizierte Zahl: 2017 lebten 146 931 Deutsche im Vereinigten Königreich. Drei Viertel der Deutschen, die emigrieren, kehren innerhalb von zehn Jahren zurück. Das United Kingdom ist ein Lebensabschnittsland für die Deutschen. Meist arbeiten sie bei deutschen Firmen in England, vor allem in der Automobil- (VW und Daimler) und Chemieindustrie, in der IT-Branche, im Tourismus. Auch Deutsche Bank, Bertelsmann und Miele sind in Großbritannien präsent. Da Engländer selten Deutsch sprechen, rekrutieren sie ihr Personal aus Deutschland. 50 000 Deutsche sind im Großraum London registriert.

Das sollte reichen, um das kleine deutsche Kartenkontingent wahrzunehmen. Vom üblichen Bei-Turnieren-Schland-Fan wird sich der Banker oder Manager, der am Dienstag unverhofft zum DFB-Spiel gehen kann, nicht unterscheiden. Bei Turnieren mit hohen Eintritts- und Reisekosten sind eh die Besserverdienenden unterwegs. GÜNTER KLEIN

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