Terry Butcher (62) spielte 77 Mal für sein Land und ist immer noch der Meinung, dass die WM-Halbfinalleistung, die England 1990 gegen Westdeutschland zeigte, die beste von allen war. Doch England verlor. Im Elfmeterschießen. Das Interview mit dem Mann, der bei der Qualifikation zur WM 1990 blutüberströmt gegen Schweden weiterspielte – und auch dadurch berühmt wurde.
Herr Butcher, wie groß ist die Rivalität zwischen England und Deutschland wirklich?
Es hat immer eine große Rivalität mit Deutschland gegeben. Ich betrachte als Engländer Schottland immer als unseren größten Rivalen – vielleicht weil ich in Glasgow gespielt habe –, aber danach ist es Deutschland. Es gibt so viele Geschichten zwischen den beiden Ländern, nicht nur im Hinblick auf den Fußball natürlich. Aber die Realität ist, dass Deutschland in den wichtigsten Spielen immer die Oberhand behalten hat.
Und womit verbinden Sie den deutschen Fußball?
Sie waren körperlich und geistig stets sehr stark. Sie hatten meistens die bessere Technik, die ihnen immer den Vorteil verschaffte. Karl-Heinz Rummenigge war das perfekte Beispiel dafür. Er hatte eine tolle Technik, aber auch Oberschenkel wie Baumstämme und war schnell wie der Blitz. Man sah ihn an und dachte sich: Er ist eine Maschine, wie zum Teufel soll ich ihn aufhalten?
An was erinnern Sie sich sonst noch?
An den 5:1-Sieg Englands in München im Jahr 2001, aber es war Deutschland, das im darauffolgenden Jahr das Finale der Weltmeisterschaft erreichte. Sie sind Maschinen. Sie haben technisch versierte Spieler mit dem unbändigen Willen, niemals aufzugeben. Sie haben immer technisch gute Spieler, die gedrillt sind, die einen unglaublichen Geist haben und nie aufgeben. Sie verkörpern alles, was man in einer Fußballmannschaft sehen möchte.
Und wie sehen Sie den englischen Fußball?
Er verändert sich. Wir haben jetzt Spieler, die technisch mit den Top-Nationen mithalten können, weil der Verband ein Trainingssystem für die Basis entwickelt hat. Ich denke, wir haben die Deutschen in Sachen Technik eingeholt. Jetzt besteht die Herausforderung darin, sie zu übertreffen und zu versuchen, mit ihnen zu machen, was sie die letzten 50 Jahre mit uns gemacht haben.
Wie ist Ihr Gefühl?
Das Gute aus Englands Sicht ist, dass es sich um eine junge Generation von Spielern handelt, die sich nicht an 1990 oder 1996 erinnern werden, weil sie noch nicht geboren waren. Wenn ich Englands Spielern zuhöre, wenn sie über das Spiel sprechen, sind sie nur daran interessiert, Geschichte zu schreiben anstatt von ihr belastet zu werden. Wenn ich mir Spieler wie Phil Foden, Mason Mount, Jack Grealish, Jadon Sancho und Harry Kane ansehe, dann sehe ich Fußballer, die technisch so gut sind wie jeder andere auf der Welt.
Was trauen Sie diesen Spielern gegen Deutschland zu?
Wir haben eine sehr gute Mannschaft, voll mit Spielern mit echter technischer Qualität und einem sehr starken Geist. Ich bin zuversichtlich, aber wie oft haben wir das schon gegen die Deutschen gesagt?
Aber 1966 konnte England die Deutschen bei der WM besiegen…
Es ist eine lange Zeit seit 1966 – und wir können nicht ewig davon zehren! Eine Sache, an die ich mich bei den Spielen gegen Deutschland immer erinnere, war der immense Respekt, der zwischen den Spielern herrschte. Man ging auf das Spielfeld und wusste, dass man es mit der Elite zu tun hatte. Deutschland war immer das Maß aller Dinge. Es ist, als würde man gegen das europäische Äquivalent von Brasilien und Argentinien spielen.
Interview: Simon Mullock