Pontivy – Als Mathieu van der Poel im November 2019 am Grab seines berühmten Großvaters Raymond Poulidor stand, gab er ein Versprechen ab. Er wolle wie Opa sein und die Fans glücklich machen, berichtete seine Mutter Corinne später. Und schon an seinem zweiten Tag bei der 108. Tour de France hatte der niederländische Radstar sein Wort gehalten. Van der Poel holte sich nicht nur den Etappensieg, sondern auch das Gelbe Trikot.
„Es ist schade, dass er nicht mehr da ist. Ich könnte mir vorstellen, dass Opa sehr stolz gewesen wäre. Es wäre ein schönes Foto gewesen“, sagte van der Poel im leuchtenden Gelben Trikot. Wie sehr ist Poulidor dem Maillot Jaune in den 60er und 70er Jahren hinterhergejagt. Acht Mal stand er in Paris auf dem Podium, aber nie ganz oben. Nicht einen Tag trug Poulidor bei seinen 14 Tour-Teilnahmen das Gelbe Trikot.
Sein Name gilt in Frankreich als Synonym für den ewigen Zweiten. Und trotzdem wurde „Poupou“ – wie er gerufen wurde – geliebt und verehrt, viel mehr als sein Rivale und Fünffach-Sieger Jacques Anquetil. Noch im hohen Alter gehörte Poulidor dem Tour-Tross an, ironischerweise für den Sponsor des Gelben Trikots. „Irgendwann wird Mathieu die Tour de France gewinnen“, sagte Poulidor dann den Gästen.
Irgendwann war ein bisschen schon am Sonntag, auch wenn van der Poel aufgrund seiner physischen Eigenschaften wohl nie die Tour gewinnen wird. Dass er Julian Alaphilippe an der Spitze der Gesamtwertung abgelöst hat, haben ihm die Franzosen verziehen. Er ist ja quasi einer von ihnen. Als Kind war van der Poel in den Sommerferien immer bei seinem Großvater im Limousin.
Früh zeichnete ab, dass Poulidors Enkel auf dem Rad ein Alleskönner ist. Im Winter kämpfte er sich bei den Cross-Rennen durch den Schlamm. Vier Mal gewann der 26-Jährige in dieser Disziplin schon den WM-Titel. „Ich muss gewinnen, wenn ich der Beste bin“, sagte van der Poel. Er wolle nicht so sehr von anderen – sprich dem Team – abhängig sein. Immerhin gewann er für seinen Rennstall Alpecin-Fenix bereits Amstel Gold Race (2019) und die Flandern-Rundfahrt (2020).
Nach der Tour tauscht van der Poel die Rennmaschine gegen das Mountainbike. Bei Olympia will er im Cross-Country Gold gewinnen. Dass er es kann, hat er mit dem EM-Titel 2019 bewiesen.
Van der Poel hat die Radsport-Gene nicht nur von seinem Großvater. Sein Vater Adrie war auch Radprofi, gewann zwei Tour-Etappen und trug 1984 für einen Tag das Gelbe Trikot. „Er hat es nur ein oder zweimal aus der Kiste geholt“, erzählte der Oranje-Star. Überziehen durfte es sich van der Poel als Kind nicht. Das müsse er sich verdienen. Das hat er am Sonntag gemacht. „Poupou“ wäre sicher stolz gewesen. dpa