Da konnte einem schon fast das Zuschauen wehtun. Das Peloton schaute aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Die teils zerbeulten Räder lagen verstreut wie auf einem Schrottplatz. Fahrer bluteten, krümmten sich mit zerfetzter Rennkleidung am Boden. Derlei Schreckensbilder lieferte die Tour de France mehrfach schon an ihren ersten Tagen. Es ist also nur verständlich, wenn sich da manch einer fragt: Ist die Tour verrückt geworden?
Nun, die aktuelle Sicherheitsdebatte, die vom renommierten Teamchef Marc Madiot („Tun wir nichts, wird es Tote geben“) gestartet wurde, ist nicht neu. Sondern ein schon jahrzehntelanger Begleiter der Tour. Gerade in ihrer ersten Woche ist die Sturzgefahr besonders hoch. Beim Saisonhöhepunkt will sich jeder beweisen; so lange die Kraft da ist, geht es hektisch und nervös zu. Hinzu kommt, dass bei der Tour traditionell eine besondere Nähe zum Publikum gepflegt wird. Die aufgekratzten Fans am Straßenrand, die – speziell bei Bergetappen – den Sportlern bedrohlich nahekommen, sind Teil dieser weltweit bekannten Show. Man hat sich damit arrangiert. Dass nun die Dummheit einer Zuschauerin, wie auf der zweiten Etappe geschehen, ein Massenchaos auslöst, ist aber tatsächlich die große Ausnahme.
Und dennoch müssen sich die Veranstalter immer wieder intensiv Gedanken machen, wie das Gefahrenpotenzial zu mindern ist. Radsportler – das liegt in der Natur ihres Metiers – tragen ohnehin ein enorm hohes Berufsrisiko. Umso wichtiger ist, dem Tour-Spektakel Schranken zu setzen. Auch wenn kurvenreiche Gassen in mittelalterlichen Städten für den TV-Zuschauer eindrucksvoller sind als breite Straßen, die zur Zielgeraden führen, so muss alles dafür getan werden, die Streckenführung gerade auf dem Schlussstück zu entschärfen. Dazu gehört auch der unbedingte Verzicht auf abschüssigen Passagen auf den letzten Kilometern der Etappen.
Es gilt also, auf die Bremse zu treten, die Tour zumindest ein wenig langweiliger zu machen. Das ist man den Fahrern schuldig. Gefordert ist da vor allem der für die Streckenzulassung verantwortliche Weltverband UCI.
Nur muss man sich dabei auch über eines im Klaren sein: Sturzfreien Radsport wird es niemals geben.