Olaf Thon sagte kurz vor der WM 2014, Joachim Löw werde nach Brasilien als Bundestrainer zurücktreten. Entweder als Weltmeister, der weiß, dass er das Erreichte nicht steigern kann. Oder als abermals an einem Titelprojekt Gescheiterter, der spüren muss, dass er’s einfach nicht draufhat, wenn es ihm mit dieser Mannschaft nicht gelingt. Es ist anders gekommen im deutschen Fußball und im Leben von Joachim Löw.
Thons Argumentation – die nicht auf Wissen, sondern auf Verdacht beruhte – war zumindest in dem einen Teil schlüssig, dass der Gewinn des höchsten Preises, der Weltmeisterschaft, zu einem Einschnitt führen muss. Allerdings ist es eine Gedankenkette auf der Ebene der Vernunft und aus einer distanzierten Perspektive. Wenn man Betroffener ist, stellt sich das gewiss anders dar. Dann will man nicht loslassen, weil im Rausch des Erfolgs alles wunderbar erscheint. Und weil man denkt, das wird sich wohl so weiterführen lassen. In diese Falle ist nicht nur Löw getappt, sondern gerade eben Frankreichs Weltmeistertrainer Didier Deschamps und Portugals Europameistercoach von 2016, Fernando Santos. Und man findet in der Historie viele Trainer, bei denen einem glorreichen Turnier ein ernüchterndes folgte. Sich gegen jede Versuchung zu stellen und auf dem Gipfel abzutreten, ist eine Kunst. Franz Beckenbauer hat sie beherrscht und als Teamchef von 1990 eine Jahrzehnte währende Aura geschaffen.
Jogi Löw hat diese Aura erst einmal verschenkt. Allerdings lag es nicht an ihm allein, dass es so gekommen ist. Er hatte das Pech, in eine Zeit hineinzugeraten, in der über die sozialen Medien Urteile harscher ausfallen und weitflächiger transportiert werden. Die gut 80 Millionen Bundestrainer von heute sind wütender als die zu Beginn seiner 15 Jahre währenden Amtszeit. Und Löw litt letztlich unter der Führungsschwäche des Deutschen Fußball-Bundes, der es ihm gestattete, einen eigenen Kosmos zu schaffen. Unter den Präsidenten Reinhard Grindel und Fritz Keller gab es keine Kontrolle des Staats im Staate. Spätestens nach der WM 2018 hätte der DFB Löw die Entscheidung über seine Zukunft abnehmen müssen, ihn vor sich selbst und die Nationalmannschaft vor Stagnation schützen müssen. Schade – denn Löw war ein Top-Trainer. Nicht bis zuletzt. Aber lange.