„Es tut mir verdammt weh“

von Redaktion

Thomas Müller trauert seiner verpassten Großchance nach – Experten kritisieren Löw

VON MANUEL BONKE UND PHILIPP KESSLER

London – Noch in der Nacht, irgendwo im Luftraum zwischen Wembley und Herzogenaurach, schnappte sich der scheidende Bundestrainer Joachim Löw DFB-Rückkehrer Thomas Müller. Zur Erinnerung: Der Angreifer lief beim Stand von 0:1 alleine auf das englische Tor zu und setzte die Riesen-Chance zum 1:1-Ausgleich neben den Pfosten. Also nahm sich Jogi dem Pechvogel an und sprach ihm gut zu. „Er hat gesagt: ‚Trainer, wenn ich die Chance gemacht hätte, hätte uns das sicher nicht geschadet.’ Ich habe ihm aber gesagt, dass wir ihm keinen Vorwurf machen. Thomas wird damit gut umgehen und das gut verarbeiten“, berichtete Löw.

Müller begann mit der Aufarbeitung der Geschehnisse von Wembley in den sozialen Medien. Am Mittwochvormittag formulierte er seinen emotionalen Beitrag. „Da war er, dieser eine Moment, der dir am Ende in Erinnerung bleibt, der dich nachts um den Schlaf bringt. Für den du als Fußballer arbeitest, trainierst und lebst. Dieser Moment, wenn du es alleine in der Hand hast, deine Mannschaft in ein enges K.o.-Spiel zurückzubringen und eine ganze Fußballnation in Ekstase zu versetzen. Diese Möglichkeit zu bekommen und sie dann ungenutzt zu lassen, tut mir verdammt weh“, schrieb der Münchner.

Außerdem entschuldigte er sich beim gesamten DFB-Tross inklusive Jogi Löw. „Aber vor allem schmerzt es wegen all der Deutschland-Fans da draußen, die während dieser EM trotz schwieriger Vorzeichen zu uns gehalten und uns unterstützt haben“, beendet Müller seinen Beitrag. Mats Hummels, neben Müller der zweite DFB-Rückkehrer im deutschen EM-Team, überraschte bei seinem Beitrag mit einer nachträglichen Titel-Ansage: „Es hat mir unendlich viel Spaß gemacht wieder bei der Nationalmannschaft dabei zu sein und ich fand, wir hatten, was es braucht, um dieses Turnier zu gewinnen.“ Natürlich überwog bei Hummels aber auch der Frust, den er nicht verbergen konnte und wollte: „Die Enttäuschung ist riesengroß, bei uns allen. Am Ende haben wir nur eins vonvier Spielen gewonnen und fahren dann irgendwie auch verdient nach Hause.“

Während die Spieler versuchen, das Achtelfinal-Aus zu verarbeiten, hagelt es von zahlreichen Experten Kritik an den DFB-Kickern und Trainer Löw. Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus kritisiert in seiner Funktion als Interwetten-Botschafter: „Die Spieler wollten dieses System nicht spielen. Jogi Löw ist stur geblieben und hat wieder an etwas festgehalten, das einfach keinen Erfolg gebracht hat. Ein System, wo Kimmich sich auf der rechten Seite nie wohlgefühlt hat, wo auch Müller nie in der Position gespielt hat, die er beim FC Bayern spielt.“

Matthäus nimmt aber auch die Spieler in die Pflicht: „Sie haben Persönlichkeiten wie Manuel Neuer, Mats Hummels, Thomas Müller, Toni Kroos und da muss ich sagen: Geht auf den Trainer zu und redet. Es kann nicht sein, dass wir ein System gespielt haben, das ihr im Endeffekt nicht wolltet.“

Laut einer Blitz-Umfrage der Plattform FanQ meinten 76,9 Prozent der Fans, dass das 0:2 gegen England verdient sei. Die Hauptverantwortung für das Ausscheiden sahen 45,3 Prozent bei Trainer und Spielern zusammen, 43,9 Prozent bei Löw. Die gesamte Leistung der DFB-Auswahl wurde von 58,5 Prozent der Befragten schlecht bis sehr schlecht bewertet. Nur 10,2 Prozent gaben eine positive Bewertung ab. Von den deutschen Spielern überzeugte Robin Gosens (24,8 Prozent) am meisten. Am meisten enttäuschte Leroy Sané (40,7).

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