„Die Nati ist ein eingeschworener Haufen“

von Redaktion

Der frühere Stürmerstar Stéphane Chapuisat über die Schweizer Chancen gegen Spanien

München – Nach dem rauschenden Fest gegen Weltmeister Frankreich ist man in der Heimat auf die nächste Party vorbereitet. Sollte die Schweiz im EM-Viertelfinalemit Spanien auch den zweiten Titelkandidaten aus dem Turnier kegeln, spendiert die Stadt Zürich den Fans eine Freinacht. Die Sperrstunde für Innenräume in Gastrobetrieben würde also aufgehoben, die rot-weiße Jubelfeier in die Verlängerung gehen. Und die Schweizer Nationalmannschaft (genannt: Nati) will das möglich machen. „Wichtig ist, dass wir diese Energie mitnehmen“, sagte Mittelfeldspieler Remo Freuler, „dann wissen wir, dass wir zusammen Großes schaffen können.“ Und es wäre etwas ganz Großes, sollte im Duell am Freitag (18 Uhr, ZDF & MagentaTV) in Sankt Petersburg gegen Spanien der Halbfinaleinzug gelingen.

Die Spanier wissen das und sind gewarnt, sie werden die Schweizer anders als vielleicht die Franzosen nicht unterschätzen. Auch, weil die Iberer schon in den jüngsten Nations-League-Duellen (1:0 und 1:1) Mühe hatten. Abwehrspieler Cesar Azpilicueta erwartet ein „kompliziertes Spiel“.

Das wäre ganz im Sinn von Stéphane Chapuisat (52). Die Schweizer Fußballlegende (103 Länderspiele), die mit dem BVB 1997 die Champions League gewann, fiebert mit – im Interview mit unserer Zeitung erklärt er, worauf es in dem Spiel ankommt.

Herr Chapuisat, steht die Schweiz immer noch kopf?

Die Leute sind sehr glücklich, ja. Wir alle blicken auf eine sehr schwere Zeit zurück – umso schöner, dass die Nati uns allen gegen Frankreich diese unheimliche Freude bereiten konnte.

Packt die Nati auch Spanien?

Ich denke, es wird ein ähnliches Spiel wie gegen die Franzosen. Auf dem Papier ist unser Gegner wieder Favorit. Wir werden aber versuchen, hinten erneut solide zu stehen und im Umschaltspiel zu überraschen. Und auch wenn die Spanier enorme Qualität mit dem Ball am Fuß haben, so wird es fundamental sein, dass auch wir ab und an längere Ballbesitzphasen verzeichnen.

Ist es womöglich ein Vorteil, dass die Schweiz der große Außenseiter ist?

Wir sind ein kleines Land mit begrenzten Möglichkeiten. Das wissen wir. Dass es von Vorteil sein kann, nicht den Druck einer ganzen Nation zu spüren und gewinnen zu müssen, ist auch klar. Wir können befreit aufspielen.

Wie schwer wiegt die Sperre von Granit Xhaka?

Natürlich fällt sie ins Gewicht, insbesondere in so einer Partie. Ich bin aber davon überzeugt, dass Djibril Sow und Denis Zakaria in der Lage sind, ihn würdig zu vertreten. Aber klar: Ein Spieler wie Xkaha wäre in einem Spiel gegen Spanien Gold wert gewesen.

Die Schweizer konnten in keiner ihrer vier EM-Partien die Null halten, haben aber auch in drei davon getroffen. Fängt die Effizienz vorne die latente Abwehrschwäche auf?

Das Spiel gegen Italien war das einzige, bei dem wir gar nicht ins Spiel gefunden haben. Ansonsten waren wir stets in der Lage, ein unbequemes Team zu sein – und zwar auch bei Rückstand. Das rührt daher, dass unsere gesamte Nationalmannschaft ein eingeschworener Haufen ist. Blicken Sie nur auf die Schlussviertelstunde gegen die Franzosen. Trainer Vladimir Petkovic nahm beim Stand von 1:3 zwei Wechsel vor und die Mannschaft glich die Partie aus. Das zeugt von Teamspirit.

Was halten Sie von Spanien?

Eine großartige Mannschaft, die es stets schafft, mit dem Ball am Fuß Lösungen zu finden. Der Ball gehört den Spaniern, das müssen wir akzeptieren.

Was auffällt: Beide Teams wurden zu Beginn der EM heftig gescholten, konnten ihre Kritiker aber eines Besseren belehren.

Was zeigt, dass man wenig geben sollte auf diese Art von Nebengeräuschen. Der Turnierverlauf von uns Schweizern und den Spaniern zeigt, wie wichtig es ist, einer Mannschaft die Zeit zu geben, die sie braucht, um in so einem Turnier zu wachsen und zu reifen. Für die Schweiz war der 3:1-Sieg gegen die Türken der Wendepunkt, für die Spanier das 5:0 gegen die Slowakei. Kritik wird es bei schlechten Resultaten immer geben, angebracht ist sie allerdings erst am Ende eines Turniers.

Edelfan Luca Loutenbach, der nach seiner Achterbahnfahrt der Gefühle gegen Frankreich zum Internet-Hit wurde, wird in St. Petersburg aller Voraussicht nach erneut auf den Rängen sein.

Großartig! Sein Gesicht stand für das der gesamten Schweiz: erst zutiefst bekümmert, dann Euphorie pur! Wir alle haben dasselbe doch auch schon mal erlebt. Im Fußball, aber auch im Alltag.

Ihr Tipp?

Schwierig. Noch ein Elfmeterschießen würde ich aber schon unterschreiben (lacht).

Interview: José Carlos Menzel López

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