Regenbogen, Kniefall, Liebesgruß – die neue Identität

von Redaktion

Positive EM-Bilanz: Nationalmannschaft gibt ein ganz anderes Bild ab als 2018 – Bierhoff: „Alles runtergefahren“

München – 2018 war das Turnier-Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft von einem ganz anderen Grundrauschen begleitet worden. Es ging nicht nur um das sportliche Scheitern, sondern auch ums Image. Die Spieler schotteten sich von den Fans ab, untereinander waren sie zerstritten, der WM-Kader gespalten in „Kartoffeln“ und „Kanaken“, und als in Russland Mesut Özil von aufgebrachten Deutschen angefeindet wurde, kam keine Solidarität aus Kreisen der Mitspieler. Flankiert wurden die zwischenmenschlichen Missstände von einer verfehlten Marketing-Kampagne mit Claims wie #ZSMMN und „Best Never Rest“.

2021 haben die Deutschen das Turnier, die EM, zwar auch früher verlassen als geplant – doch die Mannschaft unter Beifall für ihr Erscheinungsbild als Einheit und ihre gesellschaftliche Positionierung. Es ist der positive Posten der EURO-Bilanz: Die Nationalmannschaft steht wieder glaubwürdig für Werte.

Da war die Regenbogen-Binde, die Manuel Neuer als Kapitän trug und in den Interviews nach dem von politischen Diskussionen umtosten Ungarn-Spiel clever im weltweiten Fernsehbild platzierte: Er hatte sie übers Handgelenk gestreift und putzte sich mal eben die Nase.

Da war der Goretzka-Jubel vor der ungarischen Kurve, versehen mit der Liebesbotschaft – deutsche Fans in Wembley machten daraus sogar eine Mini-Choreografie.

Und da war das Niederknien aus Solidarität mit den englischen Spielern, die für etliche Deutsche Vereinskollegen sind. Das brachte der Mannschaft zwar Social-Media-Randale aus rechten Kreisen ein (und eine unzulässige Vermengung mit der Tat eines Somaliers in Würzburg), aber vor allem Respekt für ihre Haltung. Die Teamleitung hielt sich bei all dem zurück, um die Wirkung der Aktionen nicht mit Marketing zu verzerren.

„Wir haben eine Mannschaft im Umbruch, wir müssen ihr eine neue Identität geben, die muss aber von innen wachsen“, erläutert DFB-Direktor Oliver Bierhoff auf Nachfrage. „Das ist das Positive, was ich mitnehme.“ Werblich ausschlachten wie noch im März die „Human Rights“-Shirts mit einem Making-of-Film will Bierhoff nichts: „Wir haben Kritik angenommen und das runtergefahren.“ GÜNTER KLEIN

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