Wenn jetzt noch Raheem Sterling so nett gewesen wäre, zum Schiedsrichter zu gehen und zu sagen: „Mann, das war kein Elfmeter, der Däne hat mich nur leicht berührt, ich bin ja mehr über die eigenen Füße gefallen“ – dass er es nicht tat, war erwartbar und auch kein Makel: Große Fairplay-Aktionen in den Momenten, in denen es um alles geht, finden wir im Fußball so gut wie nie. Bei 3:0-Führung in der 80. Minute lässt sich der Referee leichter mal korrigieren als bei 1:1 in der Verlängerung. Daher: Keine maßlose Empörung über Sterling.
Was als Bild bleibt vom zweiten Halbfinale in Wembley: Wie Spieler und Offizielle beider Teams miteinander umgingen: Respektvoll, es wurde gratuliert, gedankt, getröstet, der Weg zu den Gegnern war jeweils der erste. Gleiches am Tag davor nach dem epischen Spiel zwischen Italien und Spanien, wo Giorgio Chiellini und Luis Enrique die Bilder geschaffen hatten, die lehren: Fußball ist wichtig, aber nicht das Höchste im Leben.
Wir dürfen die EM keineswegs glorifizieren, das lässt das Verhalten der UEFA nicht zu, die kommunale und staatliche Regierungen unter Druck setzte, für die schönen Bilder die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel zu setzen. Man muss davon ausgehen, dass die EURO Leben gekostet haben wird. Doch die wahren Akteure, die auf dem Feld, haben den größten Teil zum Gelingen beigetragen: Sie zeigten sich als Menschen. In der aufrichtigen Anteilnahme für den Dänen Christian Eriksen oder im klaren Setzen von Botschaften: Mannschaften gingen auf die Knie und nahmen dafür Missfallensbekundungen ebenso hin wie für den Auftritt im Zeichen des Regenbogens.
Bei aller Rivalität war Solidarität zu verspüren. Sicher auch, weil Gegner auf Länderspielebene oft Kollegen im Verein sind. Zwischenmenschlich funktioniert der oft gescholtene Profifußball eigentlich ganz gut.