Premier befiehlt: „Holt das Ding“

von Redaktion

England nach seinem Finaleinzug voller Euphorie, Dänemark klagt: Nicht fair

VON JONAS AUSTERMANN

London/München – Auf seiner Ehrenrunde im ohrenbetäubenden Lärm des Wembley-Stadions verlor der sonst so coole Gareth Southgate plötzlich die Fassung. Seine Faust zuckte unkontrolliert nach vorne, er brüllte all seine Freude und Erleichterung hinaus. Es schien, als falle in diesem historischen Moment die Anspannung der kräftezehrenden 120 Minuten ab. „Wir haben es verdient. Dass wir dem Land und den Menschen so viel Freude bereiten können, ist sehr speziell für uns“, sagte der Teammanager, nachdem England erstmals überhaupt ins Finale einer EM eingezogen war. Der Traum vom ersten großen Titel seit dem WM-Triumph vor 55 Jahren lebt, im Stadion feierten 66 000 Fans, darunter Prinz William. „Ich habe noch nie eine solche Atmosphäre im neuen Wembley erlebt, es war noch nie so laut“, sagte Southgate.

Im ganzen Land spielten sich Szenen ab, als hätte England bereits den Pokal gewonnen. Die Pubs und Bars durften länger öffnen, und auch der britische Premierminister Boris Johnson jubelte mit. „Englands Spieler haben ihr Herz auf dem Platz gelassen“, schrieb er bei Twitter: „Was für eine fantastische Leistung von Southgates Team, jetzt auf zum Finale. Lasst uns das Ding nach Hause holen.“

Kane war es, der in der 104. Minute mit einem sehr zweifelhaften Foulelfmeter zunächst an Kasper Schmeichel scheiterte, aber dann den Nachschuss zum 2:1 (1:1) gegen die tapferen Dänen versenkte. „Ich bin stolz, diese Jungs als Kapitän aufs Feld zu führen. Wir wissen, dass wir noch nichts gewonnen haben. Als Stürmer will man mit Toren helfen, und ich bin froh, dass mir das momentan gut gelingt“, sagte er. Das Finale sei eine „riesige Chance, dieses tolle Turnier zu krönen“, betonte Kane: „Es wird ein besonderer Tag – aber es wird einen Sieger und einen Verlierer geben. Wir werden alles dafür geben, dass wir am Ende die Sieger sind.“

Für die Dänen hingegen ist die EM gelaufen, das Fußball-Märchen ist jäh beendet worden. Das Kronprinzenpaar Frederik und Mary verneigte sich ganz tief vor dem „Europameister der Herzen“, Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kürte gar neue Nationalhelden – doch all das konnte die dänische Nationalmannschaft nach dem Ende ihres EM-Märchens nicht ansatzweise trösten. Wie hatte „Danish Dynamite“ nach dem Drama um Christian Eriksen Fußball-Europa verzaubert, was waren das für magische Wochen? Doch nun fühlten sich die Dänen um ihren greifbaren Traum betrogen, der ebenso zweifelhafte wie spielentscheidende Elfmeterpfiff nagte. „Ich habe keinen Elfmeter gesehen. In einem solchen Spiel so zu verlieren, ist einfach bitter“, kritisierte Trainer Kasper Hjulmand: „Es fühlt sich nicht gerecht an. Das ist etwas, das mich wütend macht. Ich bin enttäuscht.“

Martin Braithwaite musste sich nach dem 1:2 nach Verlängerung im Halbfinale gegen England zusammenreißen. Das Ganze sei „nicht ganz fair“ abgelaufen, wetterte der Angreifer: „Aber ich muss vorsichtig sein, was ich sage.“

Der Geniestreich per Freistoß von Mikkel Damsgaard (30.) hatte zwischenzeitlich die Hoffnung auf den zweiten Finaleinzug nach 1992 genährt. „Ich bin einfach super genervt und habe eine Leere in meinem Körper. Es ist eine verdammte Schande“, sagte Damsgaard.

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