GLOSSE

Rebellen tragen die Strümpfe auf Halbmast

von Redaktion

Dem EM-Sonderheft des „kicker“ lag ein Poster bei, das die deutsche Elf vor einem ihrer Spiele im März zeigte. Das Foto ist Beweis für die Misere, in der der (deutsche) Fußball steckt. Alle elf Akteure hatten die Strümpfe weit über die Knie hochgezogen, bei Leon Goretzka und Serge Gnabry wurde kaum noch Haut sichtbar, ehe schon die Hose begann. Das verhüllte Knie – was vor fast 20 Jahren Bastian Schweinsteiger als modische Aussage auf deutschem Rasen einführte, steht mittlerweile für die Vollkaskomentalität der Spieler: Sie wollen immer beschützt sein.

Deshalb wollen wir zwei EM-Spieler aus den Halbfinals feiern, die anders sind. Beim Italiener Lorenzo Insigne hing nach weniger als einer halben Stunde der rechte Stutzen auf Halbmast, auch der linke rutschte nach unten. Englands Jack Grealish ließ die Socken ebenfalls schnell abwärts wandern. Ob wirklich noch der vorgeschriebene Schienbeinschützer in den Strümpfen der Herren untergebracht war?

Denn durch diese Gesetzesänderung bei den Ausrüstungsbestimmungen sind uns die wunderbaren Bilder von früher verloren gegangen: Paul Breitner, wie er das Spiel vor sich her trieb, die Stutzen auf Knöchelhöhe gesunken. Manni Kaltz, der am schönsten flankte, wenn das Bein Frischluft hatte. Oder Hans-Peter Briegel, der ein solches Gestell hatte, dass sich die Frage gar nicht stellte, ob man es zusätzlich schützen müsse. Briegels Erscheinung war der Schutz.

Danke, Lorenzo Insigne und Jack Grealish, ihr bringt die gute alte Zeit ein wenig zurück. Ihr fallt aus dem Rahmen des Sicherheitsdiktats, ihr seid die Rebellen dieser EM. Deswegen könnt ihr einen Gegenspieler auch mal an der Seitenlinie austricksen – im Gegensatz zu den kniebestrumpften deutschen Kollegen.

GÜNTER KLEIN

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