GLOSSE

Der EM-Film: Wie ich beim Tor eskaliere

von Redaktion

Die Queen war nicht im Wembleystadion, als das Finale begann. Sie geht da ja nur alle 30 Jahre hin. 1966, 1996. Da passt 2021 nicht rein. Vielleicht war ihr das Treiben der Menschen, wie es mittlerweile im Stadion zu erleben ist, einfach suspekt. Der neue Blödsinn: sich selbst zu filmen.

Kameras wurden immer schon mitgeführt beim Fußball. Früher war der Klassiker, wenn es bei einem Abendspiel zehntausendfach blitzte im weiten Rund. Der Anstoß war der magische Moment, den alle festhalten wollten. Wir würden viel geben für eine Auswahl der schönsten Bilder, die aus 100 Metern Luftlinie entstanden sind (bei einer Reichweite des Blitzes von drei Metern).

Klassische Kameras wurden ersetzt von digitalen, diese wiederum von den Alleskönnern Smartphone. Beim Abspielen der Nationalhymnen holen sogar Journalisten mit mehr Länderspielen als Joachim Löw das Teil raus und halten die Augenblicke in einem Film fest (den sie posten, aber selbst nie mehr ansehen). Normale Stadionbesucher verhalten sich genauso.

Doch ein Jahr lang gab es keine normalen Stadionbesucher mehr. Nun ist es für sie eine solche Besonderheit geworden, wieder präsent sein zu dürfen, dass sie eine neue Methode gefunden haben, das der Außenwelt mitzuteilen. Haben wir bei dieser EM oft gesehen: Fan hält das Handy hoch, aber nicht um den (womöglich) entscheidenden Durchgang im Elfmeterschießen zu filmen – vielmehr hat er es auf sich selbst gerichtet. Der Film heißt: „Wie ich beim Siegtor eskalierte.“ Die Endstufe des Selfie-Wahns: Ich bin der Star.

Ihre Majestät wird es mit Befremden registriert haben. Was werden sich die Leute wohl einfallen lassen, bis sie das nächste Mal hier bei dieser Fußlümmelei repräsentieren muss? GÜNTER KLEIN

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