Vom Zehner – ein Sport für Warmduscher

von Redaktion

GLOSSE

GÜNTER KLEIN

Es gibt olympische Disziplinen, von denen man glaubt, man könnte sie selbst ausüben: 100 Meter laufen zum Beispiel. Es gibt welche, bei denen es grenzwertig wäre: 110 Meter Hürden bewältigen – und nicht wegen der zehn Meter mehr. Die dritte Kategorie sind die Sportarten, die auch den Menschen mit einer hohen Meinung von sich überfordern würden: Stabhochsprung etwa oder Wasserspringen.

Wobei, wenn wir uns dem Wasserspringen widmen: Mittlerweile ist auch das Einer-Brett im Programm, da würden die meisten einen harmonischen Anlauf, ein Hochfedern und einen Kopfsprung hinbekommen. Ab dem Dreier reicht es bei der Mehrheit allerdings nur noch zum simplen kerzengeraden Sichfallenlassen mit den Füßen voraus – ohne Schraube und Drehung. Fünfer ist Mutprobe, Zehner unvorstellbar. Aus beträchtlicher Höhe sich mehrmals überschlagen, nicht auf den Bauch platschen, sondern ohne Spritzer eintauchen – alle Achtung denen, die sich überwinden. Und die das auch noch synchron mit einer Partnerin oder einem Partner hinbekommen.

Doch dann erscheint dieser waghalsig wirkende Sport doch wieder greifbar. Sind sie aus dem Bassin geklettert, nehmen die Springer die Wertung der Jury entgegen, zeigen eine kurze Reaktion – gefolgt von: Sie gehen duschen. Jedes Mal. Ohne Ausnahme. Warum? Um sich mit Zwischendurch-Wellness zu belohnen oder die Fehlerhaftigkeit des vorangegangenen Sprungs abzuspülen?

Nein, der Grund ist ein ganz banaler. Man geht unter die Dusche, um sich ganz leicht zu bewässern, damit man nicht auskühlt, ehe man wieder aufs Brett oder den Turm muss.

Wasserspringen – ein Sport für Warmduscher. Mehr als jede andere olympische Disziplin. Daher keine Herausforderung für die wahrhaft harten Typen.

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