Tokio/München – Es klingt zu kurios, um wahr zu sein – und doch stimmt es: Deutschlands erste Medaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen in Tokio heißt Corona – und zwar mit zweitem Vornamen. Lena „Corona“ Hentschel (20) gewann am Sonntagmorgen gemeinsam mit Partnerin Tina Punzel (25) Bronze im Synchronwettbewerb vom 3-m-Brett. „Das ist das i-Tüpfelchen“, freute sich Hentschel, die für ihren Olympiatraum ihre Zelte in der Heimat in Berlin vor zwei Jahren abbrach und ihren Lebensmittelpunkt zu Punzel nach Dresden verlagerte.
Dass sie den gleichen Namen trägt wie das Virus, das Tokio und die ganze Welt in Atem hält, basiert auf einer alten Familiengeschichte. Hentschels Ur-Ur-Großvater war literatur- und musikbegeistert und großer Fan der Sängerin und Schauspielerin Corona Elisabeth Wilhelmine Schröter (geboren 1751), einer Muse von Johann Wolfgang von Goethe. Auf seinen Wunsch hin trugen seitdem alle Frauen in der Familie Hentschel „Corona“ in ihrem Namen.
„Vorher war der Witz, haha, so wie das Bier, jetzt gehen Witze in eine andere Richtung“, sagt Lena. „Aber trotzdem bin ich wirklich stolz auf den Namen. Ich hoffe, dass es bald bei meinem zweiten Namen bleibt und vielleicht der andere Aspekt in den Hintergrund rückt.“
Kerstin Taubert, Landestrainerin beim Dresdner SC, sagt: „Hier und da gab es natürlich mal einen Witz oder es wurde darüber gefeixt. Aber da steht Lena drüber.“
Wie in Peking 2008 gewannen die Wasserspringerinnen das erste deutsche Edelmetall, auch weil die Italienerinnen Elena Bertocchi und Chiara Pellacani den letzten Sprung verpatzten. Nur die favorisierten Chinesinnen Wang Han/Shi Tingmao (326,40 Punkte) und Melissa Citrini Beaulieu/Jennifer Abel aus Kanada (300,78) waren besser als die deutschen Damen (284,97). Geholfen hat womöglich auch ein Glückskeks ihrer Physiotherapeutin, den das Bronze-Duo vorab auf dem Zimmer öffnete. Die Nachricht war eine Prophezeiung: „Sie werden heute eine gute Nachricht bekommen.“ Punzel springt bereits morgen mit Christina Wassen wieder vom Turm, für Hentschel sind die Wettkämpfe schon beendet. „Ich kann jetzt durchdrehen“, sagte die strahlende Heldin.
Das galt auch für die deutschen Bogenschützinnen. Lisa Unruh konnte ihr Glück nach einer emotionalen Achterbahnfahrt kaum fassen. Völlig losgelöst sprang die Silbermedaillengewinnerin von Rio ihren Teamkolleginnen Michelle Kroppen und Charline Schwarz in die Arme und drückte beide fest an sich. Der Weg von der tragischen Figur im Halbfinale zur Heldin im Duell um Bronze nahm die deutsche Vorzeigebogenschützin emotional mit. „Überwältigend. Ich freue mich riesig“, sagte Unruh: „Es war total spannend. Wir haben super geschossen, haben es super gemacht. Bääm, es war einfach geil.“
Gegen Belarus zeigte die 33-Jährige ihre Klasse, mit einem perfekten Schuss in die Zehn brachte sie die Bronzemedaille nach Hause – und machte ihren Blackout aus dem Halbfinale vergessen. Da hätte Unruh gegen das Russische Olympische Komitee bereits mit einer Sechs den zweiten Satz unter Dach und Fach bringen und so die Weichen Richtung Finale stellen können, doch ihr unterlief mit einer Zwei ein seltener und teurer Fauxpas. „Der war richtig kacke, da habe ich mich tierisch aufgeregt“, so die Berlinerin.
Doch Unruhs Reaktion war beeindruckend. Ihrem Blackout folgten zwei perfekte Schüsse in die Zehn, ehe sie im Bronzeduell zur Matchwinnerin avancierte.