München – Das erste Pärchen hat schon mal vorgelegt. Die 19-jährige Isabel Gose schwamm über die 400 m Freistil deutschen Rekord, ihr Freund Lukas Märtens (19) schied über die 200 m zwar aus, erreichte aber eine persönliche Bestzeit. Nun greift das zweite deutsche Schwimm-Paar ins Geschehen ein. Sarah Köhler (27/ zog am Montag im Vorlauf der 1500 m Freistil souverän ins Finale ein) und ihr Verlobter Florian Wellbrock (23/ 1500 m Freistil und 10 km Freiwasser) sind die Hoffnungsträger des gebeutelten Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV).
Auch wenn Wellbrock sagt: „Ich selbst sehe mich jetzt nicht in der Verantwortung, den deutschen Schwimmsport retten zu müssen.“ Doch der Lobgesang hört gar nicht mehr auf. Freiwasser-Weltrekordler Thomas Lurz sagte über Wellbrock: „Es hat noch nie in Deutschland einen so guten Schwimmer mit solchen Möglichkeiten gegeben, sowohl stilistisch als auch von der Vielseitigkeit her.“
Aber gleich einen ganzen Sport retten? Das sei erstens nicht seine Aufgabe, zweitens sei er nicht alleine, so Wellbrock. Stimmt, seine zukünftige Frau Sarah ist ja schließlich auch dabei. Köhler, 2019 Vizeweltmeisterin über die 1500 m, sagte unserer Zeitung: „Ich möchte meine bestmögliche Leistung abliefern, am Ende aus dem Becken steigen und sagen können, dass ich alles gegeben habe. Aber natürlich habe ich auch den Kindheitstraum einer olympischen Medaille, den ich mir gerne erfüllen würde.“
Für Köhler war es kein einfaches Jahr, musste sie doch ständig an zwei Fronten kämpfen. Als Athletensprecherin konnte sie sich nicht nur auf ihre Leistungen im Wasser konzentrieren, sondern musste sich auch mit den vielen Baustellen des DSV beschäftigen.
Rückblick: Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz trat nach Vorwürfen der sexualisierten Gewalt zurück. Ende Februar beendete der Verband die Zusammenarbeit mit Leistungssportdirektor Thomas Kurschilgen. Interimsnachfolger Dirk Klingenberg blieb einen Tag, ein sieben Jahre altes Werbefoto, das Klingenberg vor dem Berliner Bordell „Artemis“ zeigt, wurde ihm zum Verhängnis. Schließlich hievte der Verband Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow auf den Posten des Sportdirektors – sehr zum Ärger der Athleten, die doch so gerne Michael Groß wollten und sich übergangen fühlten. Köhler und der Wasserballer Tobias Preuß schrieben einen Brandbrief an die Präsidenten der Landesverbände. Tenor: Eine neue Führung muss her. Das war im April, seitdem ist Ruhe eingekehrt. Zumindest bis nach Tokio.
„Zu den politischen Dingen innerhalb des Verbandes und um den Verband herum werde ich mich jetzt vor Tokio nicht mehr äußern, da ich meinen Fokus voll und ganz auf die olympischen Spiele gerichtet habe“, sagt Köhler. Es gibt schließlich einen Kindheitstraum, der erfüllt werden soll.
Und dann wäre da ja noch das Pärchenduell. Köhler und Wellbrock sagten, dass sie sich von den „jungen Wilden“ angestachelt fühlen. Bundestrainer Bernd Berkhahn sieht das junge Paar „deutlich Stärker“, als es die deutschen Topschwimmer im gleichen Alter waren. Gose glaubt, „dass Lukas und ich die beiden noch mal herausfordern und kitzeln können.“ Jetzt liegt es am Duo Wellbrock/Köhler, die Motivation in Medaillen umzumünzen.
NICO-MARIUS SCHMITZ