Vom Schiebewind verweht

von Redaktion

Gescheiterter Ruderer Zeidler: „Nicht mein Wasser“ – Bleibt sein Vater Trainer?

Tokio – Oliver Zeidler lag nach der größten Niederlage seiner Karriere minutenlang völlig ausgepumpt auf dem Bootssteg im Schatten der gigantischen Tokyo Gate Bridge. Physisch und psychisch am Ende seiner Kräfte, musste der Goldanwärter des Deutschen Ruderverbandes (DRV) sein völlig unerwartetes Aus im Halbfinale auf der windumtosten Regattastrecke erst einmal verkraften. „Ich bin sehr enttäuscht, vor allem nach dem bisher so erfolgreichen Saisonverlauf. Das wird jetzt alles ein bisschen dauern, die Niederlage nagt schon sehr an mir“, sagte Zeidler. Da lag die Pleite am Sea Forest Waterway schon Stunden zurück. Zunächst wollte Zeidler junior erst einmal mit sich und dem Schmerz alleine sein.

Zuvor hatte bereits sein Vater und Trainer Heino Zeidler einen Einblick in das Innenleben seines Sohnes gegeben. „Er ist niedergeschlagen, er hat sich voll ausbelastet und ist jetzt platt. Für ihn ist ein Traum eingebrochen und die Enttäuschung sehr groß“, sagte der Coach. „Ich bin nun auch als Vater gefragt, ihn wieder aufzurichten und den Blick nach vorn zu richten. Wir waren heute nicht so gut, wie wir das sonst bei den Regatten waren. Die Bedingungen waren sehr extrem“, sagte Papa Zeidler. Kräftiger Schiebewind und Wellengang hatten den Ruderern das Leben schwer gemacht. Die Bedingungen waren schwer, aber nicht unfair. „Das war wirklich nicht mein Wasser, daher bin ich auch daran etwas gescheitert“, so der Europameister.

Zeidler fehlte schlicht die Erfahrung. Schließlich war er auf Hochleistungsniveau lange Schwimmer gewesen und hatte erst 2016 den Wechsel zum Rudern gewagt. „Er liebt flaches Wasser, keine Wellen, leichten Schiebewind. Das sind seine Stärken, da kommt er wunderbar zurecht. Der Wind war der extremste Gegner“, sagte der Coach.

Der märchenhafte Aufstieg und die Dominanz im Einer, der WM-Titel und die beiden EM-Goldmedaillen, selbst die großen Töne, die der stets offensiv auftretende Zeidler im Vorfeld gespuckt hatte –- all das war plötzlich nichts mehr wert. „Solche Bedingungen machen auch vor Gold-Kandidaten keinen Halt“, sagte Jonathan Rommelmann. Gemeinsam mit Jason Osborne hatte Rommelmann kurz zuvor mit Silber im leichten Doppelzweier die erste deutsche Ruder-Medaille in Tokio geholt. Da ahnte im Deutschen Ruder-Verband niemand, dass die Träume im prestigeträchtigen Einer, neben dem Achter das Flaggschiff, platzen würden.

Trainer Zeidler senior blickte in die Zukunft: „Man muss sich Gedanken machen, wie man besser werden kann.“ Dabei verfiel er auch in Gedankenspiele über das Ende seiner Tätigkeit. „Jetzt erholen wir uns, und dann schauen wir, wie es weitergeht. Geht dieses Vater-Sohn-Spiel weiter? Das ist auch immer eine Belastung, denn ich mache alles ehrenamtlich“, sagte der Polizist. Von seinem Job ist der Beamte nur noch bis zum 30. August freigestellt. „Weltklasseleistungen kann man nicht nebenbei oder im Ehrenamt machen.“

Zeidler und Zeidler wollen sich zusammensetzen. „Letztendlich ist eine Reise zu Ende gegangen. Wir haben in den letzten Jahren ein sehr hohes Leistungslevel erreicht und vielleicht manchmal über unseren Verhältnissen performt“, sagte der 49 Jahre alte WM-Vierte von 1994. Sein Sohn sei zudem erst 25, andere würden mit 36 Olympiasieger. Oliver Zeidlers Großvater Hans-Johann Färber war 1972 mit 25 Jahren Olympiasieger geworden. Doch der Sohn, sagte Zeidler, habe mindestens bis Paris Zeit.  dpa

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