Flick stärkt die Aufbruchstimmung

von Redaktion

Der neue Bundestrainer betont bei seiner Präsentation: „Ich bin wirklich heiß“

VON FRANK HELLMANN UND JAN CHRISTIAN MÜLLER

Frankfurt – Wer sich auf der größten Baustelle des deutschen Fußballs bewegt, muss sich einigermaßen in Acht nehmen. Lastwagen karren Beton auf das Gelände der ehemaligen Frankfurter Galopprennbahn, Bagger bewegen riesige Mengen Sand, Arbeiter werken an der unfertigen Fassade. Hochbetrieb herrscht dort, wo im nächsten Jahr nicht nur die Verwaltung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sondern auch die Akademie einen Unterschlupf und die Nationalmannschaften eine Heimat findet. Es hätte kaum einen besseren Ort geben können, als den Rohbau der künftigen Trainerlounge von Hansi Flick und Kollegen auf dem im Sommer 2022 fertigen Campus im zweiten Stock mit Blick auf die noch mit Erde und Kies bedeckten künftigen Rasenflächen, um den Bundestrainer der Öffentlichkeit zu präsentieren. Flick, der neue Architekt des deutschen Fußballs, stellte dann wie erwartet einen schlüssigen Plan vor.

Großartig vorzustellen brauchte sich der Heidelberger mit erstem Wohnsitz im nahen Bammental im Grunde nicht, aber es konnte nicht schaden, dass der in München nach internen Reibereien mit dem Sportdirektor Hasan Salihamidzic ausgeschiedene 56-Jährige mal unverstellt deutlich machte, was die neue Aufgabe besonders reizvoll macht: „Man kann die Spieler auswählen, das ist eine gute Sache.“ Der Seitenhieb war gut herauszuhören.

Der langjährige Assistent unter Joachim Löw schaffte es, seinem Vorgänger einerseits Komplimente zu machen, andererseits aber auch klar festzuhalten, dass die vergangenen drei Löw-Jahre eben nicht der Anspruchshaltung der Fußball-Nation entsprachen. Dass von ihm mehr als nur eine souveräne Qualifikation für die WM 2022 in Katar verlangt wird, weiß der ehemalige DFB-Sportdirektor: „Wer mit den besten Spieler Deutschlands arbeiten darf, für den sind die Erwartungen groß.“

Die längst nicht mehr in den Top Ten der Fifa-Weltrangliste geführte DFB-Auswahl wird mit dem bis 2024 gebundenen neuen Bundestrainer gewiss zielgerichteter als unter dem nach 15 Jahren am Ende arg erschlafften Löw arbeiten. Flick erwartet von seinen Nationalspielern nicht weniger als eine „All-in-Mentalität“. Das bedeute für ihn, „dass man alles gibt, um als Sieger vom Platz zu gehen. Das werden wir vorleben, wir alle.“ Damit meinte der Bundestrainer jene Helferschar, die sich uniform sportlich in schwarzen T-Shirts erst am Stehtisch, später auch am Podium um ihn gruppierte.

Einziger Verbliebener aus der Löw-Ära im Trainerstab ist Assistent Marcus Sorg („Es hat menschlich immer zwischen uns gepasst“), den Flick unbedingt weiter dabeihaben wollte. Neu sind dessen aus München geschätzter Zuarbeiter Danny Röhl („Wir haben ein super Vertrauensverhältnis“), der zunächst in einer Doppelfunktion für den SC Freiburg und DFB arbeitende Schweizer Andreas Kronenberg als Torwarttrainer und der als Spezialist für Standardsituationen geholte Däne Mads Buttgereit („Beim ersten Anruf habe ich gedacht, da verarscht mich jemand“). Und dann sind da noch der Weltmeister Benedikt Höwedes, der ins Teammanagement eingearbeitet wird und Urgestein Hermann Gerland, der als Scout eingebunden werden soll.

Frische Expertise von außen scheint elementar, um dem Aushängeschild A-Nationalmannschaft mehr Leben einzuhauchen, worauf auch der krisengeschüttelte Verband angewiesen ist. „Wir sind uns bewusst, dass der DFB und auch die Nationalmannschaft eine Aufbruchsstimmung brauchen“, sagte Interimspräsident Peter Peters und fügte fast flehentlich an: „Der Verband braucht seine Ehre zurück.“ Peters, vormals Finanzchef bei Schalke 04 und seit 15 Jahren im Präsidium des DFB, hatte bei der ersten Präsenzpressekonferenz des DFB seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch vor Flick reden dürfen. Im DFB und in der Deutschen Fußball-Liga, deren Aufsichtsrat Peters vorsitzt, gibt es wenig Zweifel, dass das 59-jährige Fifa-Exekutivmitglied Peters Ambitionen hat, den Verband als neuer Präsident anzuleiten. Die Wahlen finden im kommenden März statt.

Erst einmal ist Hansi Flick operativ gefordert. Denn der Weg in die Wüste ist mit Pflichtaufgaben gepflastert: Flick wird am 26. August seinen ersten Kader nominieren, der sich drei Tage später für die WM-Qualifikationsspiele gegen Liechtenstein (2. September, St, Gallen), Armenien (5. September, Stuttgart) und Island (8. September, Reykjavik) in Stuttgart versammelt.

Generell dürfte der ausgewiesene Teamplayer Flick für den ganzheitlichen Ansatz mit deutlich mehr Präsenz in Frankfurt aufwarten. An seiner Motivation müsse niemand zweifeln: „Ich bin wirklich heiß, mich hier einzubringen.“

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