Verhandeln wie Kimmich

Brauchen Spieler noch Berater?

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Man wäre natürlich gerne dabeigewesen bei diesen Vertragsverhandlungen. Weil sie, glaubt man den Beteiligten, anders waren. Nicht geführt zwischen Bevollmächtigten beider Parteien – hier der Spielerberater, dort der Vereinsjustiziar –, sondern im direkten Aufeinandertreffen der Spitzen. Joshua Kimmich vs Oliver Kahn, Willensmensch der Neuzeit vs Ehrgeizling der Antike. Da dürften die Forderungen nur so über die Schreibtischplatte in Kahns Büro geflogen sein. „Ein Jahr würde ich vorzeitig drauflegen.“ – „Eines? Ha ha. Drei Minimum!“ – „Also zwei. Gehalt ein Stufenmodell unter Inflationsberücksichtigung jährlich zehn Prozent mehr. Ab sofort, in der alten Vertragslaufzeit noch.“ – „Zehn Prozent? Bis 2025 jedes Jahr? Willst du uns in die Pleite treiben?“ – „Überhaupt nicht. Wir können auch alles so lassen bis 2023, danach lerne ich eine neue Kultur und Sprache. . .“ – „Dann beiß’ ich dir in den Hals.“ – „Dann mache ich den Elefantenschrei wie in meiner ZDF-Doku in Hellabrunn.“ – „Okay, Vertrag bis 2025, jährliche Gehaltserhöhungen. Aber du darfst niemals ,Immer weiter, immer weiter’ sagen, das bleibt mein Satz.“

Joshua Kimmich hat seine Vertragsverlängerung mit dem FC Bayern selbst ausgehandelt. In der Branche ist der Verzicht auf einen Berater untypisch. Doch wäre es nicht sinnvoll, würden mehr Spieler so agieren wie der Bayern-Star? Trifft er, da Herr des Verfahrens, eine unter dem Strich bessere Entscheidung als etwa David Alaba, der sich finanziell sicher massiv verbessert, mit Real Madrid einen ruhmreichen Club gefunden, aber sein Image ramponiert hat?

Jahn Regensburg, als Zweitliga-Spitzenreiter derzeit sehr angesagt, wirbt bei Spielern seit Jahren mit einem Gehaltsaufschlag, wenn einer ohne Berater antritt. Doch woher will der Spieler wissen, dass die Zahl X plus Bonus wirklich höher ist als das Y ohne Bonus, was ein eiskalter Agent rausgeholt hätte? Fraglos: Um als junger Mensch von der vermutlich doch recht ausgebufften Gegenseite nicht über den Tisch gezogen zu werden, ist eine Fachkraft, die man zur Seite hat, nicht von Schaden. Auch Joshua Kimmich hat Leute benötigt, die ihn in die komplexe Welt des Fußballgeschäfts begleiten. Und ja auch ihren Anteil daran haben, dass er in eine Position gekommen ist, auf weitere Assistenz zu verzichten.

Eigentlich kann Kimmich seinen (abgelegten) Berater nur wärmstens weiterempfehlen.

Guenter.Klein@ovb.net

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