München – Es läuft die Anfangsphase im Champions-League-Spiel des FC Bayern in Barcelona. Die Münchner bekommen einen Freistoß auf Höhe des Strafraums zugesprochen. Trainer Julian Nagelsmann möchte die Gelegenheit nutzen, um Torhüter Manuel Neuer taktische Anweisungen mit an die Hand zu geben. Problem: Im Camp Nou herrscht trotz lediglich 40 000 Zuschauern ein höllischer Lärm.
Also winkt Nagelsmann seinen Kapitän zu sich an die Seitenlinie heran, um mit ihm die neue Taktik zu besprechen. Im Football wären solche Szenen undenkbar. Dort ermöglichen es der technische Fortschritt und die Regularien, dass Trainer und Spieler während des Spiels kommunizieren können. Das ist nur ein Aspekt, der Nagelsmann am Football-Coaching fasziniert.
„Football ist ein Teamsport. Allein deswegen gibt es schon eine Parallele zum Fußball. Football ist unglaublich weit in der Technologie in der Kommunikation mit Spielern. Der Quarterback hört den Trainer auf dem Feld. Football ist unglaublich weit in der Spezialisierung von Trainern auf Mannschaftsteile. Da kannst du als Fußballtrainer unglaublich viel rausziehen“, sagt Nagelsmann im Gespräch mit unserer Zeitung.
Erst vergangene Woche veröffentliche der FC Bayern ein Video, dass Nagelsmann im Austausch mit Andy Reid, Headcoach des NFL-Clubs Kansas City Chiefs, zeigt. Fazit: Der Fußball sollte sich am Football ein Vorbild nehmen. „Der Fußball ist ja oft noch sehr traditionsbewusst. Überspitzt gesagt: Alles so machen, wie es in den letzten 30 Jahren war und ja keine Neuerungen zulassen. Ich finde, dass wir in bestimmten Bereichen im Fußball manchmal Chancen verpassen, aber natürlich auch Chancen für die Zukunft haben, unseren Sport etwas moderner zu gestalten“, erklärt Nagelsmann.
Als Beispiel führt der 34-Jährige die bereits angesprochene Kommunikation zwischen Trainer und Spieler auf: „Das ist etwas, was wir im Fußball unbedingt brauchen. Idealerweise auch mit einer Verbindung zurück, dass der Spieler mit den Trainern kommunizieren kann: Es ist extrem laut im Stadion, du hast kein Stop-and-Go-Spiel wie im Football. Es gibt kein Time-Out, es gibt nur die Halbzeitpause, um taktische Dinge mit den Spielern zu besprechen.“
Problem: Laut DFL-Statuten darf man die Spieler nicht vernetzen. „Aber du musst auch mal den Vorstoß machen und sagen: Wir wollen das aber! Wir wollen etwas im Trikot haben, dass Spieler und Trainer kommunizieren können“, findet Nagelsmann. Nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Anforderungen an die Protagonisten fasziniert Nagelsmann. Stichwort: Playbook. Dort sind die Spielzüge und Laufwege der Mannschaften aufgeschrieben. „Im Football müssen die Spieler sich ans Playbook halten und die Inhalte schnell verinnerlichen – weil die Spieler nur Ein-Jahres-Verträge haben. Zusätzlich ist der Kader enorm groß. Heißt: Wenn ein Spieler die Inhalte aus dem Playbook nicht beherrscht und das einer Mannschaft das Spiel kostet, war es das mit dem nächsten Vertrag. Das sind alles Themen, wo der Fußball etwas lernen kann. Wo du als Trainer etwas mitnehmen kannst“, so der Bayern-Cheftrainer zum Vergleich mit dem US-Sport.
Sein Fazit: „Football ist zwar krass technologisiert, aber auch eine Sportart mit einer langen Tradition. Und der Fußball versteckt sich zu oft noch immer hinter dieser Tradition – und das muss aufgebrochen werden!“