Kraftakt in den Alpen

von Redaktion

Extremsportler Stefan Glowacz erkundete zwei Monate „den eigenen Garten“

München – Klar, Stefan Glowacz klettert gerade. Vor dem Telefoninterview mit unserer Zeitung muss er erst den richtigen Spot finden. Der Empfang ist an der Verdonschlucht in Südfrankreich, ein Paradies für Kletterer, nicht optimal. Doch auf einer Erhöhung findet Glowacz dann schließlich Netz. Zum Glück – denn der Extremsportler hat viel zu erzählen. Von seiner neuesten Expedition etwa.

Am 25. Juni startete Glowacz von Berg am Starnberger See in sein nächstes Abenteuer. Gemeinsam mit Partner Philipp Hans (Glowacz: „Könnte mein Sohn sein“) radelte er zwei Monaten durch die Alpen – ohne elektronische Unterstützung. Die 35 Kilogramm schwere Ausrüstung schleppten die Athleten auf einem Anhänger über die Pässe und durch die Täler. Zudem nutzte das Duo alte Versorgungs- und Schmugglerwege statt der üblichen Landstraßen. „Das war eine brutale Viecherei. Ich habe unterschätzt, wie anstrengend das Ganze auf Dauer ist.“ Bemerkenswert, wenn diese Worte von Stefan Glowacz kommen.

Der heute 56-Jährige begann als Teenager mit dem Klettern. Und gewann gleich dreimal den Rockmaster in Arco (Italien), der zu den wichtigsten Kletterwettbewerben zählt. Nach seiner aktiven Wettkampfkarriere fokussierte sich Glowacz auf Expeditionen an einsame Orte – Grönland oder die Antarktis beispielsweise. Vor der Weltmeisterschaft 2006 hielt Glowacz eine Motivationsrede vor der deutschen Nationalmannschaft. Oliver Kahn war so begeistert, dass er den Abenteurer beim Mittagessen weiter ausfragte.

Seit vielen Jahren achtet Glowacz nun darauf, dass seine sportlichen Höchstleistungen möglichst CO2-neutral ablaufen: „Es geht um die Reduzierung auf die eigene körperliche und mentale Leistungsfähigkeit.“

Beim jüngsten Wallride-Projekt gelangen Glowacz und Hans zwei Erstbegehungen. Zunächst in den östlichen Ausläufern der Dolomiten. Hier bekletterte das Duo die Corida Bianca, eine 2840 Meter hohe Felskathedrale in der Marmarolegruppe.

In den westlichen Ausläufern der Alpen wurde der 2709 Meter hohe Pic de Burde in den französischen Seealpen bezwungen. Glowacz und Hans kletterten bis zur Dunkelheit, biwakierten an der Felswand und kletterten die Route am nächsten Morgen zu Ende. „In der Früh hat oft alles wehgetan. Du musstest jeden Tag aufs Neue den inneren Schweinehund überwinden. Auch darin lag der Reiz der Expedition“, sagt Glowacz.

Der zweite Vorteil: den eigenen Garten kennenlernen, wie Glowacz sagt. So oft sei er schon in den Alpen gewesen, kenne sie aber trotzdem nur punktuell: „Wir fliegen um die halbe Welt, um die Rocky Mountains zu sehen. Dabei haben wir die Rocky Mountains doch vor der eigenen Haustüre.“

NICO-MARIUS SCHMITZ

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