Das Los von Schlierenzauer & Co.

Vom Skispringer zum Nie-mehr-Skispringer

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Gregor Schlierenzauer hat seinen Rücktritt erklärt. Das ist eine Nachricht, die keinen kalt lässt, denn der Österreicher hat uns durch die Jahre begleitet. Intensiv meist um Weihnachten/Neujahr herum, wenn sich die Fernsehgeräte von selbst einschalteten zu dem bisschen Live-Sport, das es in dieser Zeit gab: Skispringen, die Tournee, von Oberstdorf bis Bischofshofen, „ziiieeehhh“.

Ein Abschied von einem Skispringer ist ein einschneidendes Erlebnis, denn man muss davon ausgehen, dass man besagten Athleten so schnell oder gar nie wiedersieht. Mit der fachnahen Anschlussbeschäftigung ist es schwer. So viele Skisprung-Nationen gibt es nicht, dass ein großer Bedarf an Trainern entstünde (die das Fernsehen zeigt, wie sie mit einem Landesfähnchen den Sprung für ihre Leute freiwinken). Und die Expertenstellen bei den TV-Anstalten sind besetzt: Auf Jens Weißflog und Dieter Thoma folgten Martin Schmitt und Sven Hannawald, die das noch Jahre machen können. Österreich hat seinen Andi Goldberger, der mit 48 immer noch „Goldi“ ist, und den es nach einer Kokserei verzeihend in die Arme geschlossen hat. Außerdem gibt es den Skisprung-Professor Toni Innauer (63), der bei Bedarf sogar Richard David Precht niederphilosophieren würde.

In der Regel wird aus einem Skispringer also ein Nie-mehr-Skispringer, und wenn er sich nicht in die Schlagzeilen pöbelt wie der legendäre Matti Nykänen (selig), erfährt man nullkommanichts über seinen weiteren Lebenslauf. Dabei würde man einiges wissen wollen: Ob diese knabenhafte 50-Kilo-Figur ein Leben lang hält oder sich doch ein wenig ausdehnt? Ob es so etwas wie einen finalen Sprung von der Großschanze gibt und danach nie wieder einen oder sich ein Olympiasieger zwanzig Jahre später eine Jugendschanze anmietet und ein paar Kumpels von früher zum Alte-Herren-Schanzenstammtisch einlädt? Ein Formel-1-Fahrer kann sein Leben lang schnell Auto fahren, der Ex-Rennrodler winters den nächsten Hügel runterrutschen, wer die Eisschnelllauf-Ovale der Welt beherrschte, über den zugefrorenen See gleiten. Und Fußballer kicken 30 Jahre und Kilos weiter.

Der Skispringer jedoch kann nicht 30 Meter früher runterplumpsen. Einer wie Gregor Schlierenzauer darf nicht „Eddie the Eagle“ werden. Darum: Das war’s. Abschiedsgruß – verbunden mit dem Wunsch auf eine Telemarklandung im richtigen Leben.

Guenter.Klein@ovb.net

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