Das letzte Gold-Rennen von Legende Martin

von Redaktion

Radstar führt das deutsche Mixed-Team zum WM-Sieg – Alte Rivalen wollen Fotos mit ihm

Brügge – Nach dem Karriereende aus dem Bilderbuch übernahm Tony Martin noch einmal Verantwortung. Auf dem dicht gedrängten WM-Podium in Brügge verteilte der deutsche Radprofi die Goldmedaillen an die stolzen Teamkollegen einfach selbst. Dann legte er die Arme um die Schultern der Olympiasiegerinnen von Tokio und ließ bei der Nationalhymne gerührt den Blick schweifen. WM-Gold im Mixed-Wettbewerb: Zum Abschied in den Radsport-Ruhestand hatte sich Martin einen letzten Traum erfüllt.

„Das ist das bestmögliche Ende“, sagte der 36-Jährige: „Ich bin dem Team sehr dankbar, speziell den Frauen. Sie haben den Unterschied gemacht. Jetzt ist es Zeit zu feiern.“

Das finale Rennen seiner Laufbahn war für Martin zur Triumphfahrt geworden. Nach insgesamt 44,5 km siegte er an der Seite von Max Walscheid (Neuwied), Nikias Arndt (Buchholz) sowie den Bahn-Olympiasiegerinnen Lisa Brennauer (Durach), Lisa Klein (Saarbrücken) und Mieke Kröger (Bielefeld) in 50:49 Minuten. Das Podium komplettierten die Teams aus den Niederlanden (0:13 Minuten zurück) und Italien (0:38).

Martins Teamkollegen waren sich der Besonderheit des Rennens bewusst – und extra motiviert. „Es ist eine Legende, die hier abtritt“, hatte Walscheid vorab gesagt: „Er ist einer der ganz überragenden Zeitfahrer der letzten zehn Jahre.“ Klein sprach von einer „Ehre, mit ihm sein letztes Rennen zu fahren.“

Vor diesem wirkte Martin hochkonzentriert. Fokussiert rückte er sich den futuristischen Zeitfahrhelm zurecht, dann startete in die letzten 22,5 km der Karriere – so lang war der Kurs bis zum Wechsel zu den Frauen in Brügge. Das Männer-Trio um Martin startete als drittletztes Team und lag früh auf Medaillenkurs. Ihre Teilstrecke absolvierten die Männer in 24:37 Minuten, dann übernahmen die Frauen.

Während Brennauer und Co. loslegten, fiel Martin seinen männlichen Kollegen um den Hals. Dann beobachteten sie das Rennen der Frauen – und wurden nicht enttäuscht. Brennauer und Co. harmonierten bestens und schoben sich an die Spitze. Als der Gewinn der Goldmedaille feststand, brach ein Riesenjubel bei Martin aus.

Vor der Siegerehrung baten auch Fahrer anderer Nationen den Deutschen um ein Abschiedsfoto. Martin blickt auf eine überaus erfolgreiche Zeit im Radsport zurück. Er wurde iermal Weltmeister im Einzelzeitfahren (2011 bis 2013, 2016). 2012 in London war er Olympiazweiter. Zehnmal triumphierte er bei den deutschen Meisterschaften. Bei der Tour de France gewann er fünf Etappen, 2015 trug er vorübergehend das Gelbe Trikot.

In Martin verliert der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) aber nicht nur einen seiner erfolgreichsten Fahrer des letzten Jahrzehnts. Es verabschiedet sich auch eine wichtige Persönlichkeit. Martin hatte sich in den vergangenen Jahren einen exzellenten Ruf im Peloton verdient, nicht zuletzt als Kritiker und Mahner für bessere Sicherheitsvorkehrungen. Sein Wort hatte Gewicht. In Zukunft will er die Erfahrung an die Jugend weitergeben. Gespräche über eine Kooperation mit einer Sportschule in seiner Heimat Kreuzlingen hat er schon geführt.  sid

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