Berlin – Kenenisa Bekele warf einen letzten enttäuschten Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk, für einen Endspurt vor dem Zielstrich gab es keinen Anlass mehr. Der Angriff auf den Weltrekord beim Berlin-Marathon war längst gescheitert, auch die Entscheidung über den Sieg am Brandenburger Tor war schon gefallen. Äthiopiens Starläufer hatte seine Ziele auf der schnellsten Strecke der Welt verfehlt.
„Das fehlende Training war mein großes Problem“, sagte Bekele, der sich vor neun Monaten mit dem Coronavirus angesteckt und vier Wochen bis zur vollständigen Erholung benötigt hatte: „Ich wollte in Berlin gut laufen, es hat nicht wie erhofft geklappt. Meine Karriere ist deshalb nicht vorbei.“
Statt des dreimaligen Olympiasiegers jubelte am Sonntag sein Landsmann Guye Adola. Der 30-Jährige feierte bei warmen Temperaturen seinen bislang größten Karriereerfolg, blieb nach 42,195 Kilometern in 2:05,45 Stunden aber klar unter der drei Jahre alten Bestmarke des Kenianers Eliud Kipchoge (2:01,39).
„Ich habe daran geglaubt, dass ich Kenenisa schlagen kann. Es war so heiß, meine Füße haben in meinen Schuhen gebrannt“, sagte Guye. Den zweiten Platz sicherte sich im Herzen der Hauptstadt überraschend der Kenianer Bethwel Yegon (+ 0:29 Minuten). Bekele wurde Dritter (+ 1:02), weit vor dem besten Deutschen Philipp Pflieger (+ 9:16) auf dem 16. Platz.
Nach dem Startschuss um 9.15 Uhr durch Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller schlug die Spitzengruppe um Bekele ein äußerst hohes und gleichmäßiges Tempo an. Der Kilometer-Schnitt pendelte sich im Bereich unterhalb von 2:55 Minuten ein, nach zehn Kilometern (28:47 Min.) lagen Bekele und Co. klar auf Weltrekordkurs.
Der 39-jährige Bekele hatte wenig später erstmals Probleme. Kurz vor Kilometer 18 fiel er aus der Spitzengruppe zurück. Zur Halbmarathon-Distanz kam die dezimierte Führungsgruppe dann aus dem Rhythmus – und Bekele nutzte die taktischen Spielereien seiner Rivalen. Er kehrte mit einer starken Leistung zurück an die Spitze. Das hohe Tempo zu Beginn forderte jedoch bei allen Tribut. Der Weltrekord geriet außer Reichweite.
Bei den Frauen siegte Gotytom Gebreslase aus Äthiopien. Die 26-Jährige verwies in 2:20,09 Stunden ihre Landsfrauen Hiwot Gebrekidan (+ 1:14) und Helen Tola (+ 2:56) auf die Plätze. Als beste Deutsche wurde Rabea Schöneborn (Berlin/+ 8:40) Neunte.
Bekele hatte 2019 seinen zweiten Sieg in Berlin gefeiert und in 2:01:41 Stunden den ein Jahr zuvor von Kipchoge an gleicher Stelle aufgestellten Weltrekord nur um zwei Sekunden verpasst.
2020 war der Berlin-Marathon der Pandemie zum Opfer gefallen. Am Sonntag gingen wieder rund 25 000 Läufer und Läuferinnen aus 139 Nationen an den Start. sid