Beim Fußballtalk „Doppelpass“ haben sie sich zu dieser Saison neue Sessel angeschafft, superbequem, doch vor einem Monat fühlte sich der Gast Heribert Bruchhagen mit einem Mal sehr unwohl in seiner Polsterschale. Bruchhagen war Spieler, Trainer, Funktionär bei diversen Vereinen, er ist 73. Und er litt, als in der Runde der Begriff „Julian-Nagelsmann-Fußball“ fiel.
2021/22 ist eine Saison, die in der Bundesliga im Zeichen der Trainer steht. So viele Clubs wie nie zuvor haben die Stelle neu besetzt, vor allem sind alle Spitzenvereine unter veränderter Leitung ins Spieljahr gegangen. Es wurden auch Ablösen bezahlt, wie sonst nur für Spieler. Zwischen fünf und bis zu 25 Millionen Euro. Diese Investitionen zwingen die Clubs vielleicht mal zu einem geduldigeren Umgang mit ihren Fußball-Lehrern. Denn einen gefeuerten Coach kann man schlecht weiterverkaufen.
Jedoch – und an diesem Punkt kann man Heribert Bruchhagens Qual nachvollziehen – findet seit einiger Zeit eine Überhöhung der Trainer statt im Ton, in dem über sie gesprochen wird: Julian-Nagelsmann-Fußball, Marco-Rose-Fußball, Adi-Hütter-Fußball, Gerardo-Seoane-Fußball. Als hätten sie alle in dem Spiel Wesenszüge erkannt, die über mehr als hundert Jahre allen anderen verborgen geblieben wären. Niemand sprach jemals vom Sepp-Herberger-Fußball, vom Udo-Lattek-Fußball, Otto-Rehhagel-Fußball, Ottmar-Hitzfeld-Fußball, Felix-Magath-Fußball, Jupp-Heynckes-Fußball – und sie alle, die keine Namensgeber für einen Spielstil waren, hatten Titel in Vielzahl aufzuweisen. Das Instrumentarium, das dem Fußball zur Verfügung steht – darauf verweist Bruchhagen mit vollem Recht – verändert sich nicht großartig. Nur die Sprache, in der man es beschreibt, täuscht vor, es gebe revolutionäre Neuerungen.
Womöglich ist der Fußball mit seinen vermeintlichen Genies in der Coaching-Zone gar nicht vielfältiger geworden, sondern eintöniger, weil ja mehrheitlich auf Tempo und Umschalten gesetzt wird. Ob das ein Erfolgsrezept ist, hängt im Wesentlichen an Personalien. Siehe Dortmund: Aus dem Marco-Rose-Fußball wurde in Mönchengladbach vor allem Ohne-Erling-Haaland-Fußball.
Guenter.Klein@ovb.net