Leverkusen
Die Deutschen plagt die Sehnsucht, den Spieler zu haben, der als Bester der Welt anerkannt ist. So wie das Franz Beckenbauer in seiner Glanzzeit vor fünfzig Jahren war. Wer kam danach? Karl-Heinz Rummenigge und Lothar Matthäus galten als herausragend, nach ihnen war Mario Götze das Ausnahmetalent. Trotz eines WM-Siegtores ist die Karriere des Dortmunders aber nicht so verlaufen, wie es möglich gewesen wäre. Doch vielleicht klappt es jetzt mit Florian Wirtz.
Leverkusen-Kenner haben schon vor einem Jahr gesagt, dass der damalige Weggang von Kai Havertz zum FC Chelsea zu verschmerzen sei, weil dadurch Raum geschaffen werde für einen, der noch bessere Möglichkeiten hat: Florian Wirtz. Weil im März 2020 Corona für eine Unterbrechung der Saison sorgte, bekam Wirtz, nachdem er 17 geworden war, die Chance für erste Auftritte in der Bundesliga. Mit nunmehr 18 Jahren und 145 Tagen steht der Leverkusener bei zehn Bundesliga-Treffern und ist der Jüngste in der Bundesliga, der im zweistelligen Bereich angekommen ist. Er war der Matchwinner beim 1:0 gegen Mainz 05. Bisher hielt Lukas Podolski den Rekord. Wir erinnern uns: Seine ersten Auftritte in der Bundesliga waren von enormem Getöse begleitet.
Bei Wirtz soll alles etwas ruhiger vonstattengehen. Bayer Leverkusen will ihn noch nicht vor Fernsehkameras sehen. Reicht, wenn die Mitspieler sprechen – wie Torhüter Lukas Hradecky, der meint: „Er ist ein geiler Zocker und wird wahrscheinlich Woche für Woche Geschichte schreiben.“ Auch Trainer Gerardo Seoane lobt: „Florian kommt immer in Abschluss-Situationen, ist dann auch klar im Kopf und trifft gute Entscheidungen.“ Mit vier Toren und vier Assists ist Wirth in der Bundesliga-Scorerwertung Zweiter – hinter Erling Haaland, vor Robert Lewandowski. Wirtz ist, da er die geringste Spielzeit hat (er war anfangs verletzt), sogar der effektivste Offensivspieler der Bundesliga.
Hertha BSC
0:5 in München, jetzt 0:6 in Leipzig – die Ergebnisse von Hertha BSC passen nicht zu den Vorstellungen, die Investor Lars Windhorst für den Club hat, in den er fast 400 Millionen Euro fließen ließ. „Wow! Bin etwas geschockt und brauche gleich einen Drink“, schrieb er von einer Yacht aus, auf der er mit Prinz Albert von Monaco übers Mittelmeer cruiste, in die WhatsApp-Gruppe der Hertha-Führung. Windhorst hält Pal Dardai nicht für den geeigneten Trainer – allerdings steht der Ungar nun mal für die Hertha-Seele und ist beliebt bei den Fans.
„Diskussionen haben wir ständig. Das ist im Tagesgeschäft so, wenn man von Ergebnissen abhängig ist“, sagt Sportvorstand Fredi Bobic. Der bereits als Dardai-Ersatz gehandelte Florian Kohfeldt (zuletzt Werder Bremen) sei aber keiner, der auf der Liste stünde. Bobic nimmt erst mal die Spieler in die Pflicht: „Auf dem Platz ist jeder seinen Ansprüchen ganz weit hinterhergehinkt. Wir müssen uns bei unseren Fans für den Auftritt entschuldigen. So einen Auftritt möchte ich in der Form nicht mehr sehen.“ Pal Dardai stellt sich aber – ganz Trainer – vor seine Leute: „Wir haben vor einigen Wochen eine neue Mannschaft bekommen.“
Eintracht Frankfurt
„Wieder mal ein Rekord, den ich aufstelle“, sagte der neue Eintracht-Trainer Oliver Glasner nach dem 1:1 gegen Köln. Auch sein sechstes Bundesliga-Spiel mit Frankfurt verlief sieglos – und man muss zu den Bayern. Siebtes siegloses . . .?
Glasner sieht die Statistik anders: Fünf Partien endeten unentschieden. „Wie oft die Eintracht von den ersten sechs Spielen nur eines verloren hat. möchte ich auch mal wissen“, sagt er. Der Österreicher sieht „kein generelles Systemproblem“ und bleibt gelassen – trotz der nächsten Aufgabe. GÜNTER KLEIN