München – Als das Geschehen im Audi Dome dann doch einen so verhängnisvollen Verlauf nahm, da hat Andrea Trinchieri von Zeit zu Zeit einen fast sehnsüchtigen Blick zu seiner Linken geworfen. Hinter den Korb, dorthin wo bei den Einsätzen seiner Basketballer des FC Bayern nicht zuletzt auch die nicht einsatzfähigen Spieler Platz nehmen. Drangvolle Enge herrschte dort bei dieser Auftaktpartie gegen Ulm.
Und vor allem deswegen tat sich Trinchieri schwer, den verbliebenen Kräften gram zu sein, nach dem vermeidbaren 86:89 nach Verlängerung. „Wir haben das Spiel 32 oder 33 Minuten kontrolliert, und auch dann nicht aufgegeben. Die Spieler haben eine sehr gute Mentaltität gezeigt“, sagte der Bayern-Coach, „aber zum Schluss haben wir Mentalität nicht mehr mit Konzentration zusammenbringen können.“
Aber wen wollte das verwundern an einem Tag, an er das Gewicht im Wesentlichen auf sechs Profis hatte legen müssen? Augustine Rubit schuftete mehr als 40 der insgesamt 45 Spielminuten, der alles überragende Darrun Hilliard mehr als 38, Nick Weiler-Babb (33), Ognjen Jaramaz (33) und Zan Sisko (31) auch mehr als eine halbe Stunde. Was reichlich ist, wenn man bedenkt, dass für Trinchieris Fleißarbeiter in der Vorsaison üblicherweise spätestens nach 25 Minuten Feierabend war.
Doch die Frage ist: Wie schnell wird sich das ändern? Wie lange kann das verbliebene Personal derart auf Touren gehalten werden ohne dass man neue ernsthafte gesundheitliche Probleme riskiert? Klar ist zumindest: Am Donnerstag bei Maccabi Tel Aviv (20.05 Uhr) wird es nicht viel besser aussehen. Für den Euroleague-Auftakt in Israel kann Trinchieri nur mit dem, gegen Ulm als siebter Ausländer geschonten Othello Hunter (Trinchieri: „Er ist 35, es hätte keinen Sinn gemacht, ihn jetzt schon voll reinzuwerfen“) und dem angeschlagenen Corey Walden rechnen. Aus „ohne acht“ könnte also „ohne sechs“ werden. „Mehr wird nicht passieren“, sagte der Bayern-Trainer. Woraus sich schließen lässt, dass es sich bei den Coronafällen der letzten Wochen wohl um Co-Kapitän Vladimir Lucic, Andreas Obst und Gavin Schilling dreht.
Heraus kommt noch immer eine hauchdünne Not-Besetzung. Auch deshalb hatten die Münchner Verantwortlichen schon vor dem Start mehrfach darauf hingewiesen, dass das Leben und Sterben in dieser Saison nicht in diesen ersten Spielen entschieden wird. Aber klar ist auch: In der BBL mögen Niederlagen wie gegen Ulm (noch) leicht zu verschmerzen sein.
In der traditionell engen und ungleich schwieriger zu spielenden Euroleague aber können die Dinge schnell eine Dynamik bekommen. Die positive Variante haben die Bayern im Vorjahr selbst kennen gelernt. Da starteten sie mit 5:1-Siegen in die Spitzengruppe durch und kippten danach nie mehr aus den Playoff-Plätzen heraus. Genauso könnten aber bei einem Fehlstart die höheren Regionen schnell außer Reichweite geraten. Was durchaus passieren könnte bei einem Startprogramm in Tel Aviv, gegen den FC Barcelona und dann drei Auswärtspartien in Kasan, St. Petersburg und Kaunas.
Wobei zumindest die Konkurrenz auch nach der Münchner Auftaktniederlage fest an das Münchner Leistungsvermögen glaubt. Auch bei Jaka Lakovic, dem Ulmer Coach, war das so. „Sie wurden gebaut um ins Final-4 der Euroleague zu kommen“, sagte er, „sie sind ein sehr, sehr starkes Team mit sehr guten Leuten.“ Wenn auch ein Team, dass sein wahres Leistungsvermögen dieser Tage noch nicht zeigen kann.