München – Mit 65 Jahren, sollte man meinen, dürfte Franz Tost so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen. Doch ein misslungenes Rennwochenende kann dem Alpha-Tauri-Teamchef noch immer einige Tage die Laune verderben. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Österreicher über sein Team, die aktuelle Lage und Perspektiven der Königsklasse, seinen ehemaligen Fahrer Max Verstappen – und das Abschneiden von Mick Schumacher.
Herr Tost, wie würden Sie die bisherige Formel-1-Saison aus Sicht Ihres Teams zusammenfassen?
Wenn es nicht läuft, bin ich immer ein paar Tage extrem schlecht gelaunt. Das war nach Monza so, aber auch nach Sotschi. Dann geht es darum, Fehleranalyse zu betreiben. Trotzdem: Die Saison ist bisher recht gut verlaufen. Mit Höhen und Tiefen. Höhen waren mit Sicherheit der dritte Platz von Pierre Gasly in Baku oder sein super gutes Rennen in Monaco. Gasly war oft zwischen Platz vier und sieben platziert. Das zeigt die Qualität von Team und Fahrer. Yuki Tsunoda ist ein Newcomer. Er hatte es schwerer, das zeigt, dass die Formel 1 so schwierig und komplex geworden ist, speziell für junge Piloten. Tsunoda hat gut angefangen, dann hat er es übertrieben. Er ist in die sogenannte „Crash Periode“ hineingekommen. In der Zwischenzeit weiß er, wo das Limit liegt. Er wird uns mit sehr guten Resultaten überraschen.
Wie wichtig ist Gasly als Führungsfahrer im Team?
Extrem wichtig. Er bringt uns mit seinem Erfahrungsschatz weiter. Er gibt die Richtung in der Entwicklung vor. Er hat einen Fahrstil entwickelt, der optimal zu unserem Auto passt. Für seine Ausfälle konnte er nichts.
Ihr ehemaliger Schützling Ralf Schumacher fordert wieder regelmäßige Testfahrten, um den Nachwuchs zu fördern.
Das ist eine Kostenfrage. Ein Kilometer in der F1 kostet bis zu 700 Euro. Die müssen finanziert werden. Wir ließen Tsunoda mit einem zwei Jahre alten Auto testen. Das ist wesentlich kostengünstiger. Das könnte die Alternative sein.
Wie bewerten Sie die bisherige Debütsaison von Mick Schumacher?
Mick schlägt sich sehr gut. Sein Auto ist schwer zu fahren, aber er hat alles unter Kontrolle, auch mit Druck kann er umgehen. Er ist auf dem richtigen Weg.
Ihr ehemaliger Pilot Max Verstappen wirkt wie ein Außerirdischer, der jeden Teamkollegen auffrisst. Wem würden Sie zutrauen, an der Seite von Max zu bestehen?
Also Gasly könnte nah herankommen. Aber: Max ist der technische Führungsfahrer im Team. Das heißt, er entwickelt das Auto genau so, wie er es haben will. Da kann es schon sein, dass der zweite Pilot Schwierigkeiten hat.
Ist das Duell Verstappen gegen Hamilton ein Duell für die Geschichtsbücher?
Ja, auf alle Fälle. Es wird auch in Zukunft noch einige spannende Rennszenen geben. Und was mich betrifft: Mich würde es freuen, wenn Max am Ende den Titel gewinnt.
Kann man Max mit einem der Großen der Vergangenheit vergleichen?
Es ist schwer zu vergleichen. Aber ich denke, von der Risikobereitschaft her und dem Willen, unbedingt zu gewinnen, geht er am ehesten in Richtung Senna.
Was sagen Sie zur bisherigen Saison eines anderen Ihrer ehemaligen Schützlinge, Sebastian Vettel?
Sebastian hat entschieden, weiterfahren zu wollen. Ich freue mich darüber. Wenn das Auto passt, wird er auch in Zukunft gute Resultate abliefern. Das haben die Rennen In Monaco und Baku ja schon bewiesen.
Haben Sie noch Kontakt?
Wir telefonieren ab und zu, gehen zusammen Skifahren, wenn die Covid-Regeln das erlauben. Das passt.
Vettel macht sich für eine grünere Formel 1 stark, die zum Beispiel mit Biosprit eine Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz spielen soll. Teilen Sie seine Meinung?
Ja, das ist ganz wichtig. Als Spitze des Motorsports muss sie das tun. Die Formel 1 hat ja jetzt schon eine einzigartige Technik, die in diese Richtung geht. Nehmen wir nur mal die Power Unit: Wir haben zwei Energie-Rückgewinnungssysteme. Da braucht man keine Steckdose mehr, um die Batterien aufzuladen. Das ist die Zukunft für jeden PKW. Wenn es uns jetzt gelingt, und es sieht so aus, werden wir 2026 neue Hybridmotoren haben mit abgasfreiem Bio-Sprit für den Verbrennungsmotor. Das sollte dann auch ein Forschungslabor für die Automobilindustrie sein.
Also ist das neue Reglement ein Türöffner für neue Hersteller wie Audi, Porsche oder andere?
Ja. Mit diesem Konzept wird das die Türen öffnen. Ich hoffe und glaube deshalb, dass wir in Zukunft neben Mercedes auch andere deutsche Hersteller in der Formel 1 erleben werden. Es gibt für mich keine bessere Marketingplattform als die Formel 1. 950 Millionen Zuschauer weltweit sprechen für sich. Mit dem neuen Reglement ab 2026 kann man dann Marketing und grüne Automobilzukunft optimal verbinden.
Interview: Ralf Bach