München – Die Protagonisten eines großen Basketball-Abends waren noch irgendwo in den Katakomben des Audi Dome. Empfingen Massagen oder kühlten die geschundenen Glieder. Und so bekamen sie gar nicht mit, wie tief sich Andrea Trinchieri verneigte. „Es war ein großartiges Spiel“, schwärmte der Trainer der Basketballer des FC Bayern über das furiose 83:77 über Olimpia Mailand, „wir haben als Team gespielt, ich bin wirklich happy.“
Es war der sechste Spieltag der Euroleague und zum ersten Mal meldeten die Münchner deutlich an, dass man vielleicht tatsächlich auch in diesem Jahr ein ernstes Wort im Playoff-Rennen mitreden könnte. Zumindest hatte man das, individuell wohl stärkste Team der Königsklasse über weite Strecken der Partie kontrolliert.
Und zum ersten Mal wurde an diesem Abend deutlich, was Basketball-Chef Marko Pesic gemeint hat, als er das neue Bayern-Team vor einigen Wochen als „Weiterentwicklung“ des Vorjahresteams ansah.
Vor allem in der zweiten Halbzeit spielten die Bayern eine Defensive, die an die Glanztage der so erfolgreichen Vorsaison erinnerte. Aber während viele Erfolge 2020/21 im Spiel nach vorne von den Ideen von Individualisten wie Wade Baldwin getragen waren, spielten die Bayern gegen Mailand als Team. Man hat Spieler, die sich fürs Kollektiv aufopfern.
Deshaun Thomas etwa. Oder auch Euroleague-Urgestein Othello Hunter. Der Münchner Oldie hatte bislang einen, nun ja, unauffälligen Saisonauftakt erwischt. Gegen Mailand zeigte er, warum er jahrelang als Spitzenkraft der Königsklasse gesehen wurde. Hunter griff zehn Abpraller ab, fast ein Drittel der Münchner Bilanz. Er garnierte sie mit neun Punkten. Womit er maßgeblich den Münchner Leitwölfen wie Vladimir Lucic oder Darrun Hilliard den Rücken freihielt.
Doch die Bayern wissen wohl, dass der Coup gegen Mailand nur dann seinen Wert behält, wenn man nun nachlegt. Schon am Donnerstag wartet das pikante deutsche Duell bei Meister Alba Berlin (20.00 Uhr). Und nicht zuletzt Hilliard fordert unmissverständlich: „Das ist eine weitere große Aufgabe. Wir müssen da rausgehen und einen Sieg holen.“
Es dürfte die Bayern ein bisschen schmerzen, dass bei den Albatrossen, die am Dienstag bei Olympiakos Piräus verloren (83:87), in diesen Tagen vor allem ein Münchner im Mittelpunkt steht. Oscar da Silva war nach dem vorläufigen Scheitern seiner NBA-Pläne im Frühjahr aus dem College in Kalifornien nach Deutschland zurückgekehrt. Über Ludwigsburg zog es den früheren Zögling der Internationalen Basketball-Akademie (IBAM) zu Saisonbeginn ausgerechnet zum Münchner Erzrivalen nach Berlin. Und spielt dort seither in bestechender Form – auch in Piräus war der Forward mit 17 Punkten der mit Abstand treffsicherste Berliner.
Mit möglichen Gedanken, warum man den Sohn eines Brasilianers und einer Allgäuerin nicht als Identifikationsfigur zum FC Bayern hat locken können, will sich zumindest Clubchef Herbert Hainer lieber nicht befassen. „Wichtig ist, dass wir eine Identität mit den Spielern entwickeln, die da sind“, sagte er, „Die sollen sich für den FC Bayern zerreißen und alles geben. Das wollen die Zuschauer sehen.“