Menschen, keine Maschinen

von Redaktion

Nagelsmann nimmt Spieler in Schutz, fordert aber Reaktion auf Pokal-Desaster

VON JOSÉ CARLOS MENZEL LÒPEZ

München – Es war, kann man sagen, ein Fall von Ruhestörung zu später Stunde. Am vergangenen Mittwochabend ist es im Domizil von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zwischen 20.45 und 22.40 Uhr anscheinend etwas lauter geworden. „Ich habe viel rumgeschrien“, gab der 34-Jährige, der sich coronabedingt nach wie vor in häuslicher Isolation befindet, am Freitag mit einem Lächeln zu. „Die Nachbarn werden sich wohl gefragt haben, was los ist, aber sie wussten ja, dass wir spielen.“ Auch, dass Nagelsmann nicht mit der Mannschaft nach Mönchengladbach gereist war, wo das Team des Rekordmeisters eine historische Pokalschlappe (0:5) kassierte, die den Coach daheim auf die Palme brachte. Immerhin: Sein/e Küche/Analysezentrum, versicherte der Trainer, habe keine weiteren Schäden davongetragen.

Die Frage, die sich vor dem Bundesliga-Gastspiel bei Union Berlin an diesem Samstag stellt, lautet: Hat etwa die Bayern-Maschinerie am Niederrhein irreparable Schäden erlitten? Nagelsmann, der an der Alten Försterei zum vierten Mal in Folge nicht an der Seitenlinie stehen wird, weiß nur, wie die Reaktion bestenfalls ausfallen sollte. Das Debakel in Gladbach habe zwar gezeigt, dass seine Bayern „Menschen, keine Maschinen“ seien, mit Blick auf Union stellte er jedoch klar: „Wir haben den Anspruch, Champions zu sein, die wieder aufstehen. Ich bin auch sicher, dass wir wieder aufstehen und dass es eine Reaktion geben wird.“

Dass Nagelsmann insbesondere nach einem derartigen Rückschlag keinen direkten persönlichen Kontakt zu seinen Spielern haben durfte, erschwerte die Aufarbeitung erheblich. Mit ihm an der Seitenlinie in Gladbach, meint Nagelsmann, „hätten wir auch nicht gewonnen“, ein Trainer sei jedoch da, um fortwährend auf die Spieler einzuwirken und ihnen zu helfen. Um das Geschehene im Nachhinein einzuordnen, habe es daher einige Video- und Telefongespräche gegeben. Vornehmlich mit Führungsspielern, aber natürlich auch mit den Herren aus der Chefetage, Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn. „Es war nicht so, dass wir uns gegenseitig vollgeweint haben, wie schlimm alles ist“, beteuert Nagelsmann, der sich gleichzeitig aber über die „Mechanismen“ an der Säbener Straße bewusst zu sein scheint. „Ich weiß, dass das Erlebnis vom Mittwoch einmalig bleiben sollte, wenn man eine ordentliche Halbwertszeit bei Bayern München haben möchte“, sagt der Fußballlehrer.

Worum es Nagelsmann nun geht, sind die Lehren aus einem „Erlebnis, das schmerzt“. Das man „nicht wieder haben“ wolle und das man so auch „nicht gewohnt“ sei. Heißt: „Wir wollen eine Reaktion zeigen, um unserem eigenen Anspruch gerecht zu werden“, kündigte der Münchner Cheftrainer mit Blick auf die Fahrt nach Berlin-Köpenick an. Und er fügte hinzu: „Uns muss in jedem Spiel bewusst sein, dass wir uns nicht von irgendwelchen Themen ablenken lassen dürfen.“ Damit seien nicht nur Impfdebatten und drohende Haftstrafen gemeint, sondern auch vermeintlich einfache, trügerische Siege wie jüngst gegen Benfica (4:0) oder Hoffenheim (4:0). Bei Union gehe es wieder von vorne los. Neues Spiel, neues Glück. Und zwar nicht nur für Nagelsmann, sondern auch für seine leidgeprüfte Nachbarschaft, die sich nun auf einen Samstag-nachmittag der ruhigeren Sorte freut.

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