Krefeld/München – Tobias Rieder ist so ein Fall: Einer, der in der Nationalmannschaft aufblüht. Vier Tore erzielte der gebürtige Landshuter in den drei Spielen des Deutschland Cup, eine Bilanz, die umso imposanter wirkt, wenn man weiß, was Rieder eigentlich für ein Typ Eishockeyspieler ist: Ein Arbeiter, der den Gegner stört und selbst nicht dazu kommt, zu glänzen. Es hängt ihm immer noch die Saison 2018/19 nach, da durfte er bei den Edmonton Oilers zeitweise neben den Weltstars Leon Draisaitl und Connor McDavid stürmen, schoss in 67 Partien aber kein einziges Tor, das hat seine Karriere in der NHL geknickt; mittlerweile spielt der 29-Jährige in Schweden.
Bei der WM im Frühjahr in Riga war er einer der Besten, beim Deutschland Cup nun die deutsche Figur in der Offensive. Rieder sagt: „Wir spielen als Nationalmannschaft von Turnier zu Turnier besser. Wir haben jetzt alle einen guten Geschmack im Mund. Jeder kann es kaum erwarten, dass es endlich Februar wird.“ Olympia in Peking! Mit den Stars aus der NHL, von denen auch Deutschland inzwischen einige hat (Leon Draisaitl, Moritz Seider, Tim Stützle, Nico Sturm, Philipp Grubauer). Wenn niemand sich verletzt oder infiziert, dann ist absehbar, dass es bei den Olympischen Spielen eine deutsche Nationalmannschaft von nicht gekannter Güte geben wird. Einen Mix aus den großen Namen und dem Team, das Söderholm im Frühjahr bei der Weltmeisterschaft in Riga unter anderem über einen Sieg gegen den späteren Champion Kanada ins Halbfinale geleitet hat.
Rieder war in Lettland auch dabei, er meint: „Es macht Riesenspaß, unter Toni zu spielen; hoffentlich bleibt er länger.“ Der zweite Halbsatz beschreibt – bei aller berechtigten Vorfreude auf Olympia – die derzeit eben auch vorherrschende Stimmungslage: Es ist nicht zwingend davon auszugehen, dass Söderholm, der 43-jährige Finne, bereitwillig einen Anschlussvertrag beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) unterschreibt, wenn der Ende 2018 geschlossene demnächst ausläuft. Denn wohin sich der Verband entwickelt, das ist ungewiss. Der DEB erlebt die unruhigsten Zeiten, seit Franz Reindl vor sieben Jahren den schwachen Präsidenten Uwe Harnos um das höchste Amt herausforderte – und gewählt wurde.
Reindls Zeit als Präsident ist mit sportlichen Erfolgen gepflastert, doch nun soll er sich nach dem Willen von vier Landesverbänden (drei von ihnen eher unbedeutend) erklären, inwieweit seine Stelle als Geschäftsführer der DEB GmbH vom Schweizer Vermarkter Infront finanziert wurde und ob dieser daraus Vorteile bezog. Am Wochenende in Krefeld sprach Reindl (66) bei Magentasport von „Hass“, den er seitens seiner Kritiker erfahre, obwohl er „keinem etwas getan“ habe. „Hier gibt es zwei, drei Menschen, die nicht die Aufklärung wollen, sondern die Vernichtung“, lautet Reindls Schlüsselsatz. Es stimmt: Teilweise trägt der Konflikt eine persönliche Note. Doch es ist nicht so, dass die Fragen zu Verträgen nicht gestellt werden dürften.
Mittlerweile gibt Reindl zu erkennen, dass er 2022 doch noch einmal als DEB-Präsident kandidieren werde. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, denn seinen Nachfolge-Wunschkandidaten, den Berliner Rechtsanwalt Marcus Haase, würde wohl keine Mehrheit finden. Bei einer Wahl könnte Reindl auf den ihm zugewandten Block aus dem Profi-Eishockey setzen (DEL), die Opposition hat zudem noch keinen starken Kandidaten gefunden; lediglich zaghaft wird ein Name geflüstert: Frank Strauß. Der heute 51-Jährige war mal Zweitliga-Eishockeyprofi in Iserlohn und Bad Nauheim; Karriere machte er als Banker: Er saß bis 2019 im Vorstand von Postbank und Deutscher Bank.
Zurück zu Söderholm: Dessen überraschende Verpflichtung vor drei Jahren ging auf den damaligen Sportdirektor Stefan Schaidnagel zurück, der sich jedoch im Herbst 2020 mit Reindl überwarf und beim DEB gehen musste (oder hinausgemobbt wurde). Der DEB versucht seitdem, seinen erfolgreichen Bundestrainer, dem der erste Ansprechpartner abhanden gekommen war, gewogen zu stimmen. Söderholm durfte vor einigen Wochen bei den Florida Panthers in der NHL hospitieren – Schaidnagel hatte dies noch untersagt, weil er fürchtete, dass das große Eishockey noch schneller auf das Trainertalent aufmerksam werden würde.
Mit den veränderten Verhältnissen im DEB – Sportdirektor ist nun Christian Künast – hat Söderholm sich arrangiert. Doch auf die Ansagen des DEB, dass nun aber allmählich über die Zukunft gesprochen werden sollte, geht er nicht ein. „Heute Morgen zwischen 6 und 7 Uhr hätte ich mal Zeit gehabt“, sagte er am Sonntag, nachdem sein Team den Deutschland Cup gewonnen hatte. Das Sportliche hat für ihn eh Vorrang: „Für mich hat Bedeutung, wie die Jungs spielen und wie sie sich in der Kabine verhalten.“ Die Beziehung zwischen Spielern und Trainern könnte besser nicht sein.
Und doch ist es so, als spürten sie in der Mannschaft, dass dies keine Garantie ist, dass Söderholm weitermachen will. „Wir wissen, wie gut er ist“, sagt Routinier Marcel Noebels – und das bedeutet, dass es auch andere wissen. Söderholm wird nicht darauf angewiesen sein, für den DEB zu arbeiten.